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Perspektiven in Fotografie und Video am Arabischen Golf. Rezension der Ausstellung in Katar.
Von Isak Berbic | Nov 2007Am 24. Oktober eröffnete die Galerie der Virginia Commonwealth University School of Arts in Katar eine Gruppenausstellung einiger der derzeit interessantesten Künstlerinnen und Künstler aus der Golfregion. Die Schau mit dem gelehrten Titel "Selbstrepräsentation am Arabischen Golf, Perspektiven in Fotografie und Video" wurde von Natalie Bailey und Sally Van Gorder kuratiert, beides geschätzte Akademikerinnen und Künstlerinnen.
Angesichts des bitteren Ernstes, der normalerweise in der um Selbst-Repräsentation und Identität bemühten Kunstproduktion herrscht, dominiert in dieser Ausstellung erstaunlicherweise ein fröhlicher Ton coolen Humors, Scharfsichtigkeit und Liebe zur Landschaft am Arabischen Golf und den hier verbreiteten, einzigartigen kulturellen Artefakten. Mag das Bemühen, die Kniffe und Konstruktionen der Repräsentation zu analysieren, auch konfliktbeladen sein, so ist das Rollenspiel doch eine verbreitete Strategie, sich selbst zu repräsentieren. Oft braucht man den Blick des anderen, um sich besser wahrzunehmen. Zur Ausstellung gehören Selbstbildnisse und Darstellungen der Wüste und der Stadt, bei denen sowohl Strategien narrativer Sequenzen als auch ikonische Einzelfotos benutzt wurden. Zu weiteren Strategien der Repräsentation gehören die Nutzung solcher kulturellen Elemente wie des Hijab, nationaler Kleidung, der "lokale" Stadtlandschaft und der Wüste. All das erscheint als symbolische Requisiten, mit denen ein gewisser lokaler Charakter verdeutlicht werden soll, sei er künstlich oder real.
Hassan Meer sitzt sich selbst an einem Gartentisch am Strand gegenüber, einmal in Jackett und Hose und das andere Mal im Dischdascha, dem Kleidungsstück omanischer Männer. Die Doppelfigur ist zugleich aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart, aber nur wenn man das auf diese Weise sieht. Hassan untersucht Erinnerung und Tradition, die durchaus zur Gegenwart gehören, und positioniert sie mehr im Sinne einer Koexistenz als eines Konflikts.
Manal Al-Dowayan inszeniert saudi-arabische Frauen in einer Kombination aus modernen beruflichen Accessoires und Elementen traditioneller Kleidung. Ebenso kontrastiert sie die Rolle der Frau als Künstlerin mit "achtbaren" technischen und medizinischen Berufen. Die Bilder erinnern an Schulporträts von Schülern, die gefragt werden, was sie werden wollen, wenn sie erwachsen sind. Sie posieren für den Fotografen mit Requisiten aus einem symbolischen, aber eher allgemeinen Haufen irgendwelchen Zeugs. Bei Manal variieren die Attribute vom Helm eines Erdölingenieurs bis zum Stethoskop eines Arztes. Es ist beeindruckend, wie der scharfe Blick der Frauen aus der Maskerade mit solchen Kostümen direkt auf den Betrachter zielt. Das ist so ähnlich wie die Filmstills ohne Titel von Cindy Sherman aus den 1970er Jahren, in denen der Blick auf unheimliche Art aus dem Bild sticht und uns zwingt, das gesamte Foto neu zu lesen. Doch anders als Sherman untersucht Manal nicht akzeptierte Darstellungsweisen von Frauen im Film. Sie verweist auf das Fehlen von Darstellungen berufstätiger Frauen. Einige Kostüme, wie der Helm des Ingenieurs, sehen an ihr maskulin aus und verleihen dem Bild einen absurden Humor. Ich ertappte mich bei der Frage: warum muss die Vorstellung von berufstätigen Frauen lustig sein?
Fotografische Medien benutzen die visuelle Sprache der Beschreibung und erleichtern potenziell die Transformation des Banalen in etwas Symbolisches. Die Fragmente blauer Stoffe bei Tarek Al-Ghoussein überwinden ihre Existenz als Abfall im Sand, um zu einem Zuhause und einem Schutzraum zu werden, also zu Synonymen für das, was wir als Identität wahrnehmen. In einer kurzen fotografischen Sequenz kriecht das blaue Material aus dem Inneren der Sanddüne, um zu ihrer Abdeckung zu werden. Im letzten Foto der Folge umhüllt es den Körper der im Zentrum stehenden Figur. Tareks künstliches Blau ist außerhalb der Farbskala der natürlichen Wüste und erscheint als ein Fremdkörper in der Landschaft. Die einfache Sequenz markiert den Prozess, wie die Kultur der Natur anhaftet. Der Künstler gibt kein didaktisches Moralurteil ab. Die Bilder weisen ganz einfach und klug auf das Offensichtliche.
Anas Al-Shaikhs Truppe von "Torhütern" schützt die Landschaft vor den Augen einfältiger Touristen. Die vor einer Mauer Wache stehenden Figuren, so wie in Leonardos figurative Studien, sind anatomisch mit weißen Linien auf der Oberfläche der Fotografien kartographiert. In einer anderen Arbeit navigiert der Betrachter per Mouseklick durch eine interaktive Computeranimation. Das Eingangsportal ist das Bild einer Hand, und wenn man auf die Fingerspitzen klickt, gelangt man in ein Labyrinth von Bildern, Ton und Textbotschaften. Eine besonders interaktive Konstellation ist eine dunkle Landkarte, die uns beim Aktivieren durch Mouseover visuell und per Ton die Namen palästinensischer Städte entgegen schreit. An einer anderen Station steht ganz einfach nur: "kann sein, dass wir außerhalb der Geschichte sind". Von Seite zu Seite wird das Unsichtbare durch aktive und genaue Untersuchung sichtbar.
Mohammed Kazem steht unter einer Vermessungsflagge und betrachtet, wie sich die Landschaft von einem minimalen Wüstenraum zu einer postmodernen Stadt verändert. Jeder Ziegelstein auf dem bloßen Sand schafft einen Kontrast zu dem, was vorher war. Die solitäre Figur wird in dem Maße zu einer Konstruktion in der Landschaft, wie die aufsteigenden Strukturen vor ihr.
In einer fotografisch dokumentierten Performance trägt Ebtisam AbdulAziz humorvoll Daten persönlichen Banküberweisungen auf ihrem Körper, im wörtlichen Sinne. In einem hautengen schwarzen Outfit mit neongrünen Nummern darauf geht sie durch die Stadt, beobachtet Leute, kauft im Lebensmittelgeschäft ein, etc. Diese Nummern sind das Datum und der Zeitpunkt ihrer finanziellen Aktivitäten, und damit reduziert sie ihre Autobiographie auf den Geldaustausch. Roqaya Al-Thani und Nuha Asad setzen sich mit der Rolle der Frau hinsichtlich der weiblichen Kleidung und deren Konnotationen von Privatheit und Verbergen auseinander.
Khalifa Al-Obaidly richtet das Objektiv der Kamera auf den Betrachter, so wie ein Scharfschütze, bei dem man nur ein Auge sieht. In seinen nostalgischen Visionen der Topographie des Golfes benutzt Camille Zakharia die Fotomontage, um das Verschwinden dessen aufzuzeigen, das zwar alt ist, aber nie eine Chance hatte, überhaupt als alt wahrgenommen zu werden. Die schönen Ansichten sind Montagen gefrorener Zeit.
Madeline McGehee und Loredana Mantello, die selbst nicht aus dieser Gegend stammen, beteiligen sich an der Ausstellung mit Einblicken in die Golfregion aus der Außenperspektive. Beide posieren selbst in ihren Fotos und stellen sich in den lokalen Kontext, statt distanzierte Beobachterinnen zu sein. Diese beiden Fotografinnen weichen vom klassischen touristischen Bericht über die exotische Wüstenregion und die einheimischen Araber. Sie erkennen ihr Anderssein durch die einfache Geste des Selbstporträts im arabischen Umfeld auf subtile Weise an.
Durch Kritik und Hinterfragen werfen die Künstlerinnen und Künstler komplexe Aspekte der Selbstanalyse auf. Die meisten Werke in der Ausstellung beschäftigen sich mit Schlüsselfragen der schnellen Veränderungen in der Golfregion. Die kulturelle und die physische Seite dieses Wandels beeinflussen einander. Diese Fragen sind schwierig, und so wie es bei der Formbarkeit von Kultur der Fall ist, bedürfen sie des Überdenkens und der Neubewertung. Selbst-Repräsentation kann im positiven Sinne nur funktionieren, wenn sie niemals statisch ist.
Isak Berbic
Dozent für Fotografie und Multimedia, Schule für Schöne Künste & Design, Universität Sharjah, Vereinigte Arabische Emirate.
Kuratorinnen:
Natalie Bailey, Sally Van Gorder
KünstlerInnen:
Bahrain:
Anas Al-Shaikh
Loredana Mantello
Camille Zakharia
Katar:
Khalifa Al-Obaidly
Roqaya Al-Thani
Madeline McGehee
Oman:
Hassan Meer
Saudi-Arabien:
Manal Al-Dowayan
Vereinigte Arabische Emirate:
Ebtisam AbdulAziz
Nuha Asad
Tarek Al-Ghoussein
Mohammed Kazem
Selbst-Repräsentation am Arabischen Golf
Perspektiven in Fotografie und Video
24. Oktober - 1. Dezember 2007