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Rezension der ersten Überblicksausstellung aktueller malaysischer Kunst in Australien.
Von Gina Fairley | Jul 2007"Selamat Datang ke Malaysia" ist die erste Überblicksausstellung zeitgenössischer malaysischer Kunst in Australien. Setzt sie bloß den von der staatlichen Tourismusbehörde verbreiteten Slogan "Malaysia Truly Asia" (Malaysia - wahrhaftig Asien) fort oder zeugt sie von einer vitalen, sich im Aufbruch befindlichen regionalen Kunstszene?
Die Kuratorin Beverly Yong von der einflussreichen Galerie Valentine Willie Fine Art in Kuala Lumpur, der für die Organisation zuständigen Institution, sagte zum Konzept der Schau: "Es spielt mit der Idee zeitgenössischer Kunst als Kulturexport. Wir fragen: Wie würden wir uns selbst in der Welt präsentieren? Wie werden wir identifiziert? Inwieweit ist unsere reale Erfahrung ... ein Spiegelbild unserer Ambitionen?" [1]
"Selamat Datang ke Malaysia", was "Willkommen in Malaysia" bedeutet, ist im Kontext der Feiern zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit des Landes als eine hippe Momentaufnahme der gegenwärtigen Kunstszene Malaysias konzipiert. In ihrem Katalogessay führt die Kuratorin in die Schau mit einer Metapher für den ersten Eindruck ein, dem "Begrüßungsbogen" über der Autobahn auf dem Weg vom internationalen Flughafen von Kuala Lumpur in die Hauptstadt. Der Bogen mit der Aufschrift "Selamat Datang ke Malaysia" ist ein Mix zwischen dem Portal eines Vergnügungsparks, einer Hommage an malaysische Architektur und einem Ausdruck für Malaysias Hingabe an den Islam. Wie so vieles in Malaysia, vermittelt die Konstruktion eine vielschichtige Botschaft und kommt mit nationalistischer Rhetorik daher, die von den Einheimischen unverzüglich gefiltert wird. Aber wie filtern oder übersetzen Nicht-Malaysier solche kulturellen Bildzeichen und Definitionen Malaysias?
Diese Ausstellung untersucht solche Gedanken ausgewogen und in dem Bewusstsein lokaler Empfindlichkeiten, doch noch wichtiger ist, dass sie ein Bild zeitgenössischer malaysischer Kunst im Ausland konstruiert.
Die zehn beteiligten Künstler sind nach der Erlangung der Unabhängigkeit geboren. Sie gehören also einer Generation an, die in der neu konstituierten Nation aufgewachsen sind: ihr Blick ist nach vorn gerichtet. Es vermittelt sich einem eine Zusammenstellung von Künstlern, die jene Widersprüche, Konflikte und die Vielschichtigkeit herausstellen, durch die das heutige Malaysia geprägt ist. So untersuchen Yee I-Lann und Vincent Leong wie die gefeierte kulturelle Vielfalt Malaysias zu einer systematischen Segregation im Gegensatz steht. Nadiah Bamadhaj und Sharon Chin stellen eine aufmerksame Verbindung zwischen Landschaft und Architektur her, um die nationale Identität im postkolonialen islamischen Malaysia zu definieren. Roslisham Ismail aka Ise und Wong Hoy Cheong untersuchen ungeniert Malaysias soziopolitische Verflechtungen, um das reale Malaysia von Grund auf offen zu legen, indem sie die irreführenden Parolen des boleh [2] und gescheiterte suburbane Träume bloßstellen.
Gemeinsam gehen diese Künstler über provinzielle Zielstellungen hinaus und präsentieren das Erscheinungsbild einer Kunstszene, die selbstbewusst und äußerst fähig ist und die bewiesen hat, dass sie eine ernstzunehmende regionale Kraft ist.
Zu den Werken
Die Ausstellung kann in drei lockere Gruppierungen unterteilt werden. Jalaini Abu Hassan, Anurendra Jegadeva und Sharmiza Abu Hassan gehen traditionellen Werten, Mystizismus und Aberglauben im Leben und in der Kultur des heutigen Malaysia nach. Zu den mehr international geprägten Künstlern, die im Ausland studierten, dort schon oft ausstellten und dazu neigen, ihr Schaffen mit dem westlichen Diskurs zu verknüpfen, gehören Wong Hoy Cheong, Nadiah Bamadhaj, Yee I-Lann und Emil Goh. Die jüngeren Künstler in der Ausstellung sind Sharon Chin, Roslisham Ismail aka Ise und Vincent Leong, die "das Malaysia von heute, seine populäre Kultur und sich verändernde soziale Gefüge ausloten". [3]
Die Arbeit von Nadiah Bamadhaj ist eine starke Aussage. Bamadhaj nimmt den Bogen über die Autobahn auf, der in Malaysias Identität "einführt", und versetzt ihn in ihrem Digitaldruck "Ich verleihe dir Nr. 1" (2006) in die entlegene surreale Landschaft der Faroe-Inseln (der äußerste nordwestliche Punkt Malaysias). Sie fordert uns auf, über diesen Ortswechsel nachzudenken: wie ändert sich die Bedeutung eines Symbols, wenn es aus seinem Kontext und seiner Zeit herausgenommen wird? Aus dieser Perspektive bietet Bamadhajs Bild eine Anleitung zur Wahrnehmung der Ausstellung als einer Einheit. In ihrem Video "Jenseits der Anerkennung" legt sie Texte des Romans "Die Lagune" (1897), den Joseph Conrad über Britisch-Malaya schrieb, über eine "Europä-isierte" malaysische Landschaft. Sie verknüpft zwei romantische Vorstellungen, Malaya und Faroe, beide lächerlich abgehoben vom zeitgenössischen Malaysia, um Reflexionen über institutionalisierte Identität und den "unnatürlichen" Zustand zeitgenössischer Kolonisierung zu provozieren.
Auf ähnliche Weise ist Sharon Chins beeindruckende Installation "Pole Positions" (2007) eine Auseinandersetzung mit kultureller Übersetzung. Der Betrachter sieht sich einem Paar von Gebetsteppichen gegenüber, die als Architekturform ausgeschnitten sind. Der erste Eindruck ist der einer Moschee und wird durch den Sound (den Ruf zum Gebet) und das Video von Minaretten bestätigt. Die Form der Teppiche könnte als Schlüsselloch missverstanden werden, das auf einen "kulturellen/religiösen Voyeurismus" verweist, aber nach und nach entschlüsselt sie sich einem als der Grundriss der Twin Towers, einem Wahrzeichen von Kuala Lumpur, und in den vermeintlichen Minarette erkennt man deren Turmspitzen. Darin zeigt sich, wie leicht eine Übersetzung durch (Miss)verständnisse verdreht werden kann. Um die Kopfhörer aufsetzen zu können, sind die Besucher gezwungen, sich auf den Gebetsteppich zu knien, wobei sich ihre Perspektive verändert und sie den "Minaretten" des Bumiputra-Konsumdenkens [4] ihre Ehrerbietung erweisen.
Indem sie mit einem Mobiltelefon gemachte Aufnahmen einbezieht, fügt Chin mit ihrem Einsatz von Technologie ein weiteres Element des heutigen Malaysia hinzu. Die Arbeit verschmilzt ein Symbol des erfolgreichen globalen Malaysia mit der synkopierten Seele des Landes, dem Gebetsaufruf fünfmal am Tag. Der offenkundige kulturelle Zusammenprall wird noch komplizierter durch die nicht-muslimische, chinesisch-malaysische Herkunft der Künstlerin. Chin geht es ganz bewusst um solche Überschneidungen: die ikonischen Türme, die Nutzung der Technologie im Leben Malaysias, die allgegenwärtige Präsenz des Islam und die Rhetorik westlicher Installationskunst untersuchen den Begriff der "Perspektive" aus vielen verschiedenen Blickwinkeln. Dies ist eine kluge Arbeit einer viel versprechenden jungen Künstlerin.
Vincent Leong, Yee I-Lann und Emil Goh haben ebenfalls einen solchen Weg sozialer Schichtungen gewählt, um Werken für Sydney Gestalt zu geben, in denen sie die Konstrukte des Multikulturalismus gegen die Assimilation ausspielen. In Leongs Video "Lauf, Malaysia, lauf" tragen die Personen ethnische Kleidung, durch die ihr Platz im sozialen Gefüge definiert wird. Auf einer runden, sich drehenden Plattform montiert, spielt die Bewegung des Videos mit dem Gedanken der gesellschaftlichen "Tretmühle". Die Darsteller joggen in einer Art von Militärmarsch. Ihre richtungslose Gruppendynamik wird durch die unendliche Rotation der Videoprojektion unterstrichen. Obwohl es klar als Malaie, Chinese, Inder, Iban, Kadazan oder Nyongya gekennzeichnet ist, wird das Individuum vom stärkeren Element, der Masse, absorbiert.
Was ist verloren gegangen / Was bleibt? Das ist eine von den Künstlern dieser Ausstellung immer wieder aufgeworfene Frage.
Schlussfolgerungen...
Das Enttäuschende an dieser Ausstellung ist, dass sie nach Sydney nicht auch noch in andere Länder reist. Sie gibt einen genauen Einblick in die aktuelle Kunstszene und definiert einen "malaysischen Geschmack" als einen attraktiven kuratorialen Exportartikel. In der Künstlerauswahl gibt es jedoch Lücken, die nachzufragen wären: so etwa Hamir Soib und Ahmad Shukri Mohamed, beide Künstler der Matahati-Gruppe, oder Paimans politische Zeichnungen oder die Medienkunst-Installationen von Yap Sau Bin und Nur Hanim Khairuddin, aber letztendlich ist dies eine Ausstellung der Galerie Valentine Willie, von der neun der zehn gezeigten Teilnehmer vertreten werden.
Anmerkungen:
Gina Fairley
Freischaffende Publizistin, pendelt zwischen Australien und auf den Philippinen. Sie lebte 2005 in Malaysia.
Kuratorin: Beverly Yong
Künstler:
Nadiah Bamadhaj
Sharon Chin
Emil Goh
Jalaini Abu Hassan
Sharmiza Abu Hassan
Roslisham Ismail aka Ise
Anurendra Jegadeva
Vincent Leong
Wong Hoy Cheong
Yee I-Lann
30. Juni - 21. Juli 2007
Gallery 4A
Sydney, Australien
22. August - 15. September 2007