Für eine optimale Ansicht unserer Website drehen Sie Ihr Tablet bitte horizontal.
Erwartungen und Kontroversen bei der Eröffnung der Nationalen Kunstgalerie in Islamabad.
Von Adnan Madani | Dez 2007Einem uniformierten Beobachter sei verziehen, wenn er von der Lebendigkeit, Originalität und Vielfalt der zeitgenössischen pakistanischen Kunst überrascht sein mag. Als ein Land, das weltweit mit einer bewegten Vergangenheit und einer turbulenten politischen Gegenwart assoziiert wird, hat Pakistan nichtsdestotrotz (oder vielleicht gerade deshalb) eine Vielzahl an Künstlern und künstlerischen Bewegungen sowie diverse eigenständige individuelle, nationale und regionale Leistungen und Strömungen der Moderne hervorgebracht. Diese Künstler, von denen mehrere in den vergangenen Jahrzehnten international Anerkennung gefunden haben, sind meistens an pakistanischen Kunstakademien ausgebildet und gefördert worden, vom ehrwürdigen National College of Arts bis hin zu erst vor kürzerer Zeit gegründeten Institutionen, wie der Indus Valley School of Art und der Beaconhouse National University. Dennoch haben die Künstler im allgemeinen an einem Mangel an Ausstellungsmöglichkeiten gelitten, einem Problem, das sich durch die transformative Kraft der aufkommenden Biennale-Kultur noch verschlimmerte, weil junge Kunstschaffende vermehrt Räume verlangen und erwarten, die ihre Video- oder digitalen Arbeiten, großen Installationen und Performances aufzunehmen vermögen. Hinzu kommt, dass der globale Trend zu kuratorial fokussierten Ausstellungen keinen Rückhalt in der kleinen Zahl an privaten Kunstgalerien und Kunsthändlern findet. In diesem Kontext hat die Eröffnung der Nationalen Kunstgalerie in der Hauptstadt Islamabad hohe Erwartungen erzeugt und ziemliche Kontroversen ausgelöst.
Der architektonische Entwurf des pakistanischen Büros Suhail & Pasha für die Galerie war schon vor fast zwei Jahrzehnten angenommen worden, aber die verschiedenen Regierungen Pakistans haben die Fertigstellung des Projekts immer wieder verschleppt. Eine persönliche Intervention bzw. ein Befehl des gegenwärtig belagerten Staatspräsidenten Pervez Musharraf bewirkte schließlich die Fertigstellung der Galerie an ihrem prominenten Standort nahe dem Parlament und dem offiziellen Sitz des Präsidenten, was 450 Millionen Rupien (etwa 5 Millionen Euros) kostete. Doch kurz vor der Eröffnungsausstellung mit Werken der berühmtesten etablierten und aufstrebenden pakistanischen Künstler fiel die Galerie noch einmal beinahe den politischen Unruhen zum Opfer. Aber dieses Mal waren die politischen Auseinandersetzungen kultureller Natur und wurden zwischen dem Establishment der visuellen Künste und den Organisationen darstellender Künste in Pakistan geführt, die einen Teil der Räumlichkeiten, der Einrichtungen und des mit dem prestigeträchtigen Projekt verbundenen Glanzes für sich begehrten. Die explizite Aufteilung der künstlerischen Sparten (die von den Künstlern selbst oft durchbrochen wird) scheint eine spezielle Bedeutung in organisatorischer und administrativer Hinsicht zu erlangen, wobei sowohl die philosophischen als auch kritischen Klüfte hervortreten, die die zeitgenössische visuelle Kunst Pakistans von anderen kulturellen Aktivitäten im Bereich des Tanzes, der Musik und des Theaters trennen. Der zwischen Büros der Regierung und den unterschiedlichen Ziele verfolgenden Künstlervereinigungen ausgetragene Konflikt wurde letztendlich gelöst, und die Ausstellung fand tatsächlich statt, wenn auch später als erwartet und nicht ohne die Tatsache zu unterstreichen, dass die Kultur, wie alles andere in Pakistan auch, bis zu einem gewissen Grad von willkürlichen Entscheidungen auf höchster Ebene abhängen, wie eben der, welcher die Galerie ihre Geburt verdankt.
All die Ungewissheiten oder organisatorischen Frustrationen konnten jedoch den Rang und die Ambitionen der gezeigten Arbeiten nicht beeinträchtigen. Die Eröffnungsausstellung wurde in lokalen und internationalen Medien viel besprochen und erhielt Lob für den politisch engagierten und ideologisch subversiven Inhalt einiger Arbeiten. Der Mut der involvierten Kuratoren muss im Lichte der weit verbreiteten Enge landläufiger und offizieller Auffassungen hinsichtlich der Darstellung von Nacktheit sowie der traditionellen Werte und Autoritätsgläubigkeit anerkannt werden. Die offizielle Zensur in Form einer speziell einberufenen Kommission hat die Grenzen zwischen der intellektuellen Unterstützung der Ausdrucksfreiheit und der grundsätzlich konservativen Natur der pakistanischen Gesellschaft ausgehandelt und sich dieses Mal zugunsten der Großzügigkeit geirrt. Verschiedene Faktoren trugen zu diesem Sieg der liberalen Kräfte in der lokalen Kunstszene bei, darunter der kraftvolle Einsatz solcher Persönlichkeiten wie der Malerin und Dozentin Salima Hashmi, die kollektive und nachdrückliche Unterstützung seitens der Künstler durch eine Unterschriftensammlung im Internet und die sichtbare und unbestreitbar attraktive jüngste Entwicklung der zeitgenössischen Kunstmärkte in Südasien.
Es ist verlockend, die Nationalgalerie als einen Mikrokosmos aufzufassen, der die ideologischen Kämpfe in Pakistan in seinen Mauern und in den Büros der Kuratoren und Förderkomitees repliziert. Hinzu kommt, dass die Schaffung einer "National"-galerie in einer Zeit, in der das Konzept der Nation zunehmend ins Wanken gerät oder als Folge tief greifender Umwälzungen im Denken, in den Medien und im Kapitalfluss manchmal sogar weit aus dem Blick gerät, schon bedenklich nah an Anachronismus grenzt. Wenn sie jedoch als ein Ereignis in der Geschichte der pakistanischen Kunst und nicht nur als irgend ein weiteres Ausstellungszentrum, ein Biennaleort oder kulturelle Investition verstanden wird, kann die Galerie damit beginnen, die Fragen von Nation, Zugehörigkeit und Unterschied, die den Weg in die Gegenwart der kurzen Geschichte der visuellen Kunst in Pakistan markieren, auszuloten.
Adnan Madani
Künstler und Autor. Lebt in Karachi, Pakistan.
Die Eröffnungsschau umfasste 13 Teilausstellungen.
Kuratoren:
Aasim Akhtar
Atteqa Ali
Naazish Ataullah
Rasheed Butt
Nilofar Farrukh
Waqar Hanif
Salima Hashmi
Marjorie Husain
Naiza Khan
Quddus Mirza
Rahat Naveed Masud
Imran Qureshi
Jamal Shah
Die Fotos wurden freundlicherweise von VASL zur Verfügung gestellt
Die Nationale Kunstgalerie wurde am 26. August 2007 eröffnet.
Adresse:
House # 77
Street 48
Sector F 7/4
Islamabad
Pakistan