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Interview mit Carla Bianpoen über ihr neues Buch "Indonesian Women Artists: The Curtain Opens".
Von Enin Supriyanto | Aug 2007Enin Supriyanto (ES): Zuallererst meinen Glückwunsch zur Veröffentlichung deines bahnbrechenden Buches "Indonesian Women Artists, Curtain Opens" (Indonesische Künstlerinnen, der Vorhang öffnet sich). Wann hast du mit diesem ganz speziellen Projekt begonnen? Was war die Grundidee? Was sind die Hauptziele?
Carla Bianpoen (CB): Seit über 18 Jahren habe ich über moderne und zeitgenössische Kunst Indonesiens berichtet, und da sich so gut wie niemand adäquat mit der Kunst der Frauen in Indonesien beschäftigt hat, bemühte ich mich, dieses zu tun. Über fast alle Künstlerinnen hatte ich bereits zuvor geschrieben. Die Idee eines solchen Buches besteht darin, eine Lücke in der indonesischen Kunstgeschichtsschreibung zu füllen, die sich bislang kaum explizit weiblichen Kunstschaffenden gewidmet hat. Aber statt den Fokus ausschließlich auf die Kunst oder Geschlechtertheorien zu richten, waren wir uns einig, dass es um die Lebensgeschichten der Künstlerinnen in einer Weise gehen sollte, die zwar akademische Herangehensweisen einschließt, aber selbst für Neulinge unter den Kunstinteressierten unterhaltsam genug ist, sie zu lesen und sich weiter darin zu vertiefen.
ES: Du hast Farah Wardhani und Wulan Dirgantoro, zwei Schriftstellerinnen und Kuratorinnen, gebeten, an diesem Buch mitzuwirken. Wie würdest du den gemeinsamen Arbeitsprozess bei diesem Projekt beschreiben?
CB: Während Farah und Wulan akademisch ausgebildet sind, habe ich Erfahrung als Kunstjournalistin. Wir bemühten uns darum, unsere drei besonderen Fähigkeiten zu kombinieren, indem wir unser Wissen über die Künstlerinnen und deren Werke zusammenbrachten und einander ergänzten. Da wir alle einer Hauptbeschäftigung nachgehen, mussten wir die Arbeit an dem Buchprojekt neben unseren beruflichen Verpflichtungen erledigen. Alles Geschriebene ging mehr als fünfmal zwischen mir und meinen Kolleginnen hin und her, und dann auch noch zwischen mir und dem englischen Endredakteur.
ES: Wie lange hat die Fertigstellung des Buches gedauert? Welches war der schwierigste Teil?
CB: Wir haben etwa zwei Jahre gebraucht, wovon die letzten acht Monate sehr intensiv waren. Am schwierigsten war es, dieses Buch als eine Nebenbeschäftigung neben unserem Hauptberuf schreiben zu müssen, die letztendlich zu einer Hauptaktivität wurde, was bedeutet, das wir zeitweise nahezu 24 Stunden am Tag arbeiteten.
ES: Gibt es bestimmte Kriterien für die Auswahl der in das Buch einbezogenen Künstlerinnen?
CB: Wir drei sind über die Kunstwelt gut informiert, und die Auswahl wurde nach unterschiedlichen Kriterien vorgenommen, die nicht in einer festen Agenda von Parametern verallgemeinert werden können. Die Auswahl wurde nach gründlicher Recherche und im Zuge diverser Diskussionen und Bewertungen vorgenommen. Die ausgewählten Künstlerinnen haben ihre Qualitäten über die Zeit hinweg unter Beweis gestellt, indem sie in der indonesischen Kunstszene ihre Spuren hinterließen, sei es durch ästhetische Durchbrüche Dank ihres Talents und ihrer Fähigkeiten oder indem sie mit ihrer Kreativität und ihren intellektuellen Erkundungen und Aktivitäten zum Kunst- und Kulturdiskurs wesentlich beitrugen.
ES: So wie das Buch strukturiert ist, scheint es, als wenn du sehr großes Augenmerk auf die biographischen Fakten und deren Verknüpfung mit den Werken gelegt hast. War das von vornherein so geplant? Gibt es dafür bestimmte Gründe?
CB: Die Biographien von Frauen sind engstens mit ihren Werken verwoben, da die meisten Künstlerinnen ausgehend von persönlichen Erfahrungen und Gefühlen arbeiten. Die meisten konventionellen Kritiker haben diese Tatsache in der Vergangenheit übersehen oder sie waren einfach nicht in der Lage, das zu verstehen, und zogen es deshalb vor, es zu ignorieren.
ES: Die Präsentation des Buches wurde durch eine sehr spezielle Ausstellung bereichert - "Intimate Distance" (Intime Distanz). Wie würdest du diese Ausstellung beschreiben? Zeigt sie explizit die Kerninhalte deines Buches oder wurde mit der Ausstellung eine andere Richtung eingeschlagen, indem sie einige oder spezielle Aspekte der Entwicklung der Kreativität indonesischer Künstlerinnen oder künstlerischer Schaffensweisen hervorhebt?
CB: Nach meiner Auffassung war die Ausstellung eine Fortsetzung des Buches und zeigte die jüngsten Entwicklungen der im Buch versammelten Künstlerinnen. Aber von drei von ihnen gab es keine neuen Werke, so dass sie nicht an der Ausstellung teilnahmen. Andererseits wurden junge Künstlerinnen, die nicht im Buch erscheinen, eingeladen sich zu beteiligen, und sie zeigten hervorragende Werke. Gegenüber dem Buch, das Künstlerinnen vorstellen soll, um eine Lücke in der kunsthistorischen Publizistik zu schließen, ging es in der Ausstellung darum, "die Spur des Feminismus im indonesischen Kunstdiskurs zu verfolgen", wie es in der kuratorialen Einführung von Wulan Dirgantoro heißt. Obwohl unterschiedliche Ansätze verfolgt wurden, führen beide interessanterweise zu den gleichen Ergebnissen, z.B. finden die Erzählweisen der Frauen sowohl im Buch wie in der Ausstellung ihren Ausdruck in starken, professionellen Werken.
ES: Wenn du auf das, was du mit dem Buch getan hast, und auf die Ausstellung zurückblickst, was denkst du jetzt über die Zukunft der Rolle indonesischer Künstlerinnen im weiteren Kontext der zeitgenössischen Kunstszene Indonesiens? Was ist die reale Herausforderung für indonesische Künstlerinnen im Allgemeinen, um ihre Position in der indonesischen Kunstszene in Zukunft klar und unmissverständlich zu artikulieren?
CB: Ich denke nicht, dass wir über die ROLLE von Künstlerinnen sprechen sollten, denn das bekäme die Konnotation eines Muss. Viele Künstlerinnen haben ihren Platz in der zeitgenössischen Kunstszene schon gefunden. Es ist an den Kunsthistorikern, Kritikern, Kunstsammlern und Dokumentatoren, zu einer neuen Sichtweise zu gelangen.
ES: Hast du irgendwelches Feedback oder Hilfe von KollegInnen erhalten, die auf verschiedenen Gebieten arbeiten, z.B. AkademikerInnen auf dem Gebiet der Frauenforschung, Aktivistinnen, etc.?
CB: Ich möchte insbesondere Prof. Dr. Melani Budianta hervorheben, die beim Konzept der Einführung half. Unter den ersten, die an das Buch glaubten und im ersten Stadium halfen, ist unsere Englisch-Editorin, Heather Waugh, und der Eigentümer der CP Foundation, Herr Djie Tjianan.
ES: Gibt es irgendwelche Pläne für die nähere Zukunft, z.B. Diskussionen, Gesprächsrunden, Wanderausstellungen, um den Fragestellungen des Buches mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen?
CB: KünstlerInnen, die am Tag nach der Buchpräsentation an einer Diskussionsrunde teilnahmen, haben ihr Interesse an weiteren Diskussionen bekundet. Eine Stiftung möchte eine indonesische Version des Buches unterstützen. Wir hoffen, dass eine Grundlage für künftige Studien über die Perspektiven von Frauen in der indonesischen Kunst geschaffen wurde.
ES: Was sind deine nächsten Vorhaben? Beabsichtigst du, das Projekt fortzusetzen, etwa durch tiefergehende Forschung über verschiedene Aspekte, Monographien über eine oder mehrere Künstlerinnen?
CB: Dein eigener Essay im Buch warf die provokatorische Frage auf, ob denn nicht Kartini, die berühmteste Heldin Indonesiens, als die Mutter der modernen indonesischen Kunst anerkannt werden sollte, was die allgemeine Auffassung erschüttern würde, dass Raden Saleh als der Vater der modernen Kunst Indonesiens gilt. Ich denke, dem sollte durch eine seriöse Recherche der Aufzeichnungen über Kartini nachgegangen werden, die zum größten Teil in Holländisch geschrieben sind und sich im Archiv des KITLV (Königlich Niederländisches Institut für Südostasien- und Karibikstudien) in Leiden, Niederlande, befinden. Mit der nötigen Zeit und Finanzierung ausgestattet würde es mich interessieren, dieser Möglichkeit gemeinsam mit dir nachzugehen.
Enin Supriyanto
Freischaffender Kurator und Autor. Lebt und arbeitet in Jakarta, Indonesien.
Indonesian Women Artists: The Curtain Opens
von Carla Bianpoen, Farah Wardani und Wulan Dirgantoro
Herausgeber: Yayasan Seni Rupa Indonesia
Präsentiert am 1. August 2007 in der Nationalgalerie Jakarta im Rahmen der Ausstellung "Intimate Distance" mit Werken von 35 Künstlerinnen
1. - 10. August 2007