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Alexandria Contemporary Arts Forum: Schnittstelle zwischen lokaler und globaler Kunstszene.
Von Bassam ElBaroni | Dez 2007Das Alexandria Contemporary Arts Forum (ACAF, Forum für Zeitgenössische Kunst) wurde aus der dringenden Notwendigkeit gegründet, in der zweitgrößten Stadt Ägyptens eine seriöse und kritische Initiative für zeitgenössische Kunst zu haben. Alexandria hat lange unter der zentralistischen Mentalität gelitten, die in den meisten Sektoren der ägyptischen Gesellschaft vorherrscht. Anfang 2005 hatten die Gründer des ACAF den Eindruck, dass die Kunstszene in Kairo in gewisser Weise etabliert ist, was bedeutet, dass sie sich für einige Zeit hinsichtlich ihrer Struktur wahrscheinlich kaum weiterentwickeln würde. Kairo, der Mittelpunkt dieses zentralisierten Systems, schien zeitweise einen Höhepunkt erreicht zu haben, weil dort ein Klima entstanden war, in dem sich eine Gegenbewegung von Künstlern und Kunstspezialisten (die jetzt als unabhängige Szene gilt) entwickeln konnte, die es geschafft hatte, einen unterschiedlichen Grad an internationalem und lokalem Erfolg zu erlangen.
Inzwischen waren in Alexandria Bemühungen deutlich erkennbar geworden, dem internationalen Ruf der Stadt mehr Vitalität hinzuzufügen. Vor der Eröffnung der neuen Bibliothek von Alexandria (Bibliotheca Alexandrina) haben viele Leute, die mit dem zeitgenössischen Geschehen in Ägypten kaum vertraut sind, Alexandria nur mit der antiken Vergangenheit von Kleopatra und dem Leuchtturm oder den nicht so weit zurückliegenden Zeiten von Cavafy und Durrell in Zusammenhang gebracht. Für die kleine Kunst- und Kulturszene von Alexandria selbst war und ist die antike und auch die nicht so weit zurückliegende Geschichte immer noch ein großer intellektueller Stolperstein. Für die einen ist sie ein Himmel, in den man vor einer zunehmend konfusen, globalisierten und auf Konsum orientierten Gesellschaft fliehen kann, und für die anderen ist sie eine schier unerschöpfliche Quelle für abgenutzte pseudolinke Ideologien und hypernationalistische Ansichten.
Etwa zu der Zeit als ACAF eröffnete, hatte das so genannte internationale Establishment herausbekommen, dass Alexandria als kulturelle Ikone von einigem Nutzen sein könnte, insbesondere Dank seiner Lage als meditterane Stadt und seinem internationalen historischen Potenzial, so dass solche Initiativen wie die Euro-Meditterane Anna-Lindh-Stiftung für den Dialog zwischen den Kulturen sich hier niederließen. Diese und viele andere Faktoren schufen einen spezifischen Ausgleich, der für ein Zusammenlaufen des Internationalen und des Lokalen wie geschaffen war, und es ist eben diese Schnittstelle, die ACAF seit seiner Gründung im Dezember 2005 kreativ und diskursiv ausloten will.
Eine der Hauptmöglichkeiten, durch die eine Kunstinitiative in Ägypten in solche Überschneidungen eingebunden sein kann, ist "Bildung". "Bildung" kann durchaus irreführend sein, weil der Begriff in den so genannten "Entwicklungsländern" normalerweise als eine undiskutabel positive Herangehensweise an die künstlerische Praxis gilt. ACAF musste diese Angelegenheit auf eine kritische und pragmatische Weise angehen und erkennen, dass "Bildung" an sich von innen heraus kritisiert werden müsste. Es sollte der Förderung und Entwicklung eines Klimas der Vorrang gegeben werden, in dem "Wissen" nicht von außen wie eine Schablone aufgezwungen wird, sondern sich durch Situationen intensiver Interaktion, Zusammenarbeit, Diskussion und breiterer Formen der sozialen Kommunikation langsam verbreitet. Das Projekt "Prototypen für eine fortgeschrittene visuelle Kultur im öffentlichen Raum", das ACAF zusammen mit dem Künstlerduo Winter/Hoerbelt realisierte, bemühte sich um alternative Ansätze zu "Bildungs-Workshops" und endete mit einer Art Penetration des öffentlichen Raumes durch ihr Werk Mahmoudiya Canal Cratehouse. Andere Projekte von ACAF, wie das in Vorbereitung befindliche
Cleotronica: Festival für Medien, Kunst und Soziokultur, bemühen sich darum, Rahmenbedingungen einer heutzutage etablierten internationalen Praxis - wie den Medienfestivals - zu überdenken und neu zu formulieren, indem deren kommunikative Möglichkeiten in einem kombinierten lokalen und globalen Kontext betont werden.
In ACAFs Programm geht es auch um Gemeinsamkeit und Forschung als künstlerischem Prozess, vor allem durch das fortlaufende Projekt
BOOSTER: Simulator einer Public Relations Agentur für Kunst und Kultur. Booster ist ein experimentelles Projekt, das versucht, die Standardstruktur, Taktiken und Arbeitsmethoden einer typischen kleinen, im Wirtschaftsbereich arbeitenden Public Relations Agentur zu simulieren. Die kollektive Struktur von Booster ermöglicht einem Team junger ägyptischer Künstler, Architekten und Designer, ein weites Spektrum an einschlägigen lokalen und vernetzten Fragestellungen zu erforschen und zu analysieren und sich dabei auf die Dreierbeziehung zwischen Kunst, Kultur und Wirtschaft in Ägypten zu konzentrieren.
ACAF geht es seit seiner Eröffnungsausstellung
Familie: Du, ich und die Wege der Post-Allem-Ära im Dezember 2005 um die Idee der "Glokalisierung". Eine von der Initiative permanent aufgeworfene Frage ist: wie kann ein Kunstraum in einer anscheinend peripheren Lage mit seinem unmittelbaren Publikum tief greifend kommunizieren, ohne dabei als "provinziell" abgestempelt zu werden? In seinen Projekten ist ACAF bestrebt, eine kritische Balance zwischen dem Lokalen und dem Globalen zu schaffen und dabei seinem Publikum und der Kunstszene den ergiebigsten Nutzen zu bieten.
Bassam ElBaroni
Kurator und Autor, lebt in Alexandria, Ägypten. Gründete im Dezember 2005 das Alexandria Contemporary Arts Forum (ACAF) mit und ist dessen Kurator.
Unabhängige Kunstinitiative
Mitglieder:
Bassam El Baroni
Mahmoud Khaled
Mona Marzouk
Hadil Nazmy