Vyacheslav Akhunov, Sohn einer russischen Mutter und eines usbekischen Vaters, sucht in seinem künstlerischen Schaffen nach Schnittstellen, an denen asiatische Mentalität und europäische Stilistik zusammentreffen. Seit dem Jahr 2000 widmet sich Akhunov der Videokunst, meist gemeinsam mit Sergey Tychina als Performer. Die beiden Arbeiten "Aufstieg" und "Ecke", entstanden 2004, sind programmatische Video-Metaphern ihrer Zusammenarbeit.
Die Videoperformance "Aufstieg" thematisiert den Lebensweg des Menschen, indem sie die Betrachter am Aufstieg Sergey Tychinas auf einen mittelalterlichen Turm teilhaben lässt. Zusammen mit dem Künstler blickt man nach oben und kann nicht weit sehen, da die Stufen der spiralförmigen Wendeltreppe die Sicht versperren. Man ist unmittelbar dabei, wenn er Stufe um Stufe höher steigt, bekommt mit, wie sein Atmen kürzer wird, wie er innehält und dann weitergeht. … Auf der Plattform des Turms angekommen verstehen wir schließlich gemeinsam mit dem Künstler, dass wir uns zwar ganz oben befinden, sich aber dennoch alles auf die Erde stützt. Das Video lässt einige wesentliche Elemente der Kunst von Akhunov erkennen, darunter existenzielle Motive, wie das Meditieren der Sufis, und die Poetik des mittelalterlichen Ostens. Während des gesamten Aufstiegs vernehmen wir auch das schwere Atmen von Akhunov selbst, der seinen Kollegen mit der Kamera in der Hand hinauf begleitet. Wenn dann oben auf dem Turm der Aufstieg noch einmal virtuell auf einem Laptop erscheint, wird man an die gerade vollzogene Mühsal und die Selbstüberwindung erinnert, und dann zoomt das Bild in den Monitor hinein und der gesamte Aufstieg beginnt in der "realen" Szenerie wieder von vorne, so wie man auch im Leben gezwungen ist, Schwierigkeit immer wieder aufs neue durchzustehen.
Demgegenüber ist "Ecke" ist eine ethische Auseinandersetzung mit der individuellen Position, mit dem Spektrum persönlicher Werte und Vorstellungen. Der Akteur des Videos, Sergey Tychina, wiederum mit einer muslimischen Kopfbedeckung, betet an verschiedenen Orten ein Namas (Gebet). Dabei wendet er sich jedoch nicht nach Mekka, wie von den Regeln des Islam verlangt, sondern stellt sich ganz dicht in diverse Ecken und ist dadurch vollkommen auf sich selbst fokussiert. Die Ecke wird hier zum ikonographischen Motiv eines sakralen Ortes, an dem sich die geistige Sinnsuche und die Realität überschneiden. Dabei kommt es nicht darauf an, um welche Art von Bauten und Räumen es sich handelt, sei es eine Moschee, ein Museum, ein Büro etc.
In beiden Werken erscheinen exotische Elemente Zentralasiens. Sie treten aber lediglich als identifizierende Attribute der Autoren auf. Bei allem Lokalkolorit behalten die angesprochenen Themen und Probleme eine universelle Geltung.
Aus einem Text von Julia Sorokina.