Die Installation ist als eine Art Schrift konzipiert, als ein mit unserer bildlichen Vorstellungskraft verbundenes kalligraphisches System. Indem fast nichts zu sehen ist, mobilisiert die Arbeit unsere Erinnerung an das, was wir bereits gesehen oder was wir glaubten gesehen zu haben.
Das Kabelgewirr ohne Anfang oder Ende bildet Arabesken, fällt in den Raum ein und evoziert auf den ersten Blick das visuelle Vokabular islamischer Kultur. Nur sind die Materialien hier nicht mehr die Malerei, der Stuck oder die Mosaiken des mittelalterlichen Islam, sondern ein weißes, fünfhundert Meter langes Antennenkabel. Abgeschnitten und seiner Funktion beraubt, ist es als Kontrast zum Bild an der Wand und zum Sound auf dem Boden ausgebreitet und wird zu einem formalen und dekorativen Element. Das invasive Kabelwirrwarr assoziiert Angst vor dem leeren Raum und eine Art des "all over" von Information und ihrer Über-Mediatisierung.
Einerseits funktioniert die Installation als organisiertes Chaos, andererseits schafft sie einen Bruch, der das, was einstmals verbunden war, nunmehr trennt, verstört sowie Angst, Gefahr und Gewalt kristallisiert. Die Übertragung von Information ähnelt diesem ununterbrochenen, verführerischen und dekorativen Geflecht kalligraphischer Linien, dessen formale Schönheit einen fesselt, aber vom Wesen der Dinge ablenkt.
Das Bild an der Wand zeigt einen angebundenen Hund, dem das Fressen verweigert wird. Sein Knurren ist als Sound zu hören und verweist auf das berühmte Experiment von Iwan Petrowich Pawlow (1849-1936). Er hatte beobachtet, dass Hunde zur Fütterungszeit schon bei den Schritten des Besitzers zu sabbern begannen. Darauf verband er die Fütterung (den unbedingten Reiz) mit einem zweiten neutralen Reiz, dem Klingeln einer Glocke. Bald darauf löste bereits dieses Klingeln den Speichelfluss des Tieres aus, obwohl ihm kein Futter gezeigt wurde. Sozialpsychologen haben das Modell für ihre Theorien über den Einfluss kommerzieller Werbung auf Konsumenten adaptiert.
Die Ergebnisse solcher Studien helfen uns, die Interaktion zwischen explizitem und implizitem Verhalten zu verstehen. Man kann daraus Fragen danach ableiten, inwieweit unsere Gesellschaft durch den Fluss oder die Abwesenheit von Information konditioniert ist und welchen Einfluss das auf unser Urteilsvermögen und unsere Meinungen hat. Michèle Cohen Hadria schrieb, angesichts "der linguistischen und symbolischen Konfusion, die vom Überfluss an kommerzieller und tendenziöser Information erzeugt wird, spielen journalistische Meldungen keine geringere Rolle, als die wirklichen menschlichen Dramen." [1]
Anmerkung:
1. Michèle Cohen Hadria, l’intelligence d’un réseau explosif (Die Intelligenz eines explosiven Systems), Text über Mounir Fatmi für die Ausstellung Meeting Point, The Stenersen Museum, Oslo 2005.
Statement des Künstlers
(gekürzt und redaktionell bearbeitet)