Nach ein paar Tagen in Kabul hatte ich einen tiefen Wandel durchgemacht. Ich vergaß meine ursprünglichen Absichten und bemühte mich einfach nur um einen Realitätssinn, der es mir ermöglichen würde, ohne Nervenzusammenbruch durchzuhalten. Die Szenen des Leidens waren geradezu biblisch, und es war naiv von mir, dergleichen nicht erwartet zu haben. Mir wurde klar, dass meine in Kabul entstehenden Arbeiten poetisch sein sollten. Es müsste darin um meine Beziehung zu diesem Ort und auch um den Versuch gehen, einen Ausweg aus dem Sumpf anzudeuten, in dem wir Afghanen uns befinden. Mir war klar, dass Heilung vonnöten ist und ich auf eine bescheidene Weise dazu beitragen könnte. Meine Arbeiten sind sowohl persönlich als auch politisch, weil ich sie im öffentlichen Raum schuf und Leute einbezog, denen ich auf der Straße begegnete.
Während all der Jahre im Ausland war Afghanistan für mich eine wirre Vorstellung aus dem, woran ich mich erinnerte, was man mir erzählte, was ich durch die Medien erfuhr und was ich mir ausmalte. Ich wusste, dass das Land durch 20 Jahre Krieg zerstört und die Psyche der Menschen möglicherweise so stark in Mitleidenschaft gezogen war, dass meine Absicht, dort Kunst zu machen, rücksichtslos erscheinen könnte. Würde man dort überhaupt Kunstunterricht brauchen? Würde ich das Leiden ausnutzen, wenn ich Arbeiten mit dokumentarischen Mitteln mache?
In Kabul und seiner Umgebung zu arbeiten ist sehr schwierig und oft herzzerreißend, weil man überall das Leid der Menschen sieht. Anfangs hatte ich damit zu tun, mich emotional und physisch in einem Raum zu positionieren, dem eine ganz andere Dimension des Alltagslebens zu Eigen ist. Ich kam mir wie ein Regisseur vor, der in einer ungewissen Welt etwas gestalten will, das gelegentlich als "temporäre autonome Zone" bezeichnet wurde.
In der Videoperformance "Weißes Haus" streiche ich Ruinen in Kabul an. Sie befinden sich in der Nähe eines Militärstützpunkts, was mein Arbeiten dort zu einer ziemlich unheimlichen Erfahrung werden ließ. Ich wollte eine Art Skulptur schaffen, die eine Antwort an jene sein sollte, die nur Zerstörung sehen, und die auch die Möglichkeit der Lösung weitaus schwierigerer Probleme andeuten könnte. Gleichzeitig wollte ich diese Ruinen für die Zukunft erhalten. Einfach nur als Ruinen. Nicht als Monumente.
Die zweite Arbeit entstand in Bamiyan, wo die Taliban 2001 die beiden riesigen Buddhastatuen zerstört hatten. Mein Video ist eine 4 Minuten lange Schleife, die zuerst das Tal von Bamiyan und dann 20 schwarz gekleidete Männer zeigt, die vor einem der Buddhas stehen. Sie halten Steine in den Händen und schlagen diese sanft aneinander, wodurch sie ein Geräusch des Klatschens erzeugen: ein Zeichen dafür, dass etwas verlorengegangen ist, und das einzige was übrig bleibt, ist die Erinnerung daran.
Statement der Künstlerin