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Iranische Kunst heute; 17 KünstlerInnen im Museum für Neue Kunst, Freiburg, Deutschland.
Von Susann Wintsch | Dez 2006Das Museum für Neue Kunst zeigt Gegenwartskunst aus dem Iran, kuratiert von Isabel Herda und Nicoletta Torcelli. Die Ausstellung bettet sich in ein umfangreiches Rahmenprogramm der Stadt Freiburg ein, das den kulturellen Austausch mit der Partnerstadt Esfahan zum Anlass nimmt.
Bekanntlich scheint es der Medienwelt kolossal schwer zu fallen, dem Primitivismus in der bildhaften Umsetzung zu Themen des Mittleren Ostens zu entgehen. Nicht umsonst hofft man auf alternatives, intelligentes Wissen, wenn AusstellungsmacherInnen eine umfassende Präsentation zeitgenössischer iranischer Kunst vorstellen möchten. Allerdings ist die Kunst dem Spektakulären und Neoexotischen besonders verfallen, weshalb zusätzlich auch die Fallen des markstrategischen Postkolonialismus zu umschiffen sind.
Wer die Ausstellung in Freiburg besucht, und dies sei vorab festgehalten, wird belohnt. Das künstlerische Konzept will "die Widersprüchlichkeit der iranischen Gesellschaft zutage fördern". 17 Künstlerinnen und Künstler, die im Iran leben und arbeiten, stellen ihre Positionen vor. Dabei ist eine ansehnliche Reihe kluger Arbeiten versammelt, die das allgemeine Klima beschreiben, indem sie präzise Spots auf alltägliche Erfahrungen richten.
In der Videoarbeit "Silence" (2005) von Simin Keramati etwa sehen wir zwei von schwerer Arbeit gezeichnete Männerhände, welche die Perlen einer Gebetskette zählen. Die Grossaufnahme auf die Gestik sowie der hohe Geräuschpegel der fallenden Steine verwandelt die im Grunde stille Kontemplation zu einem herrischen Takt, der Raum und Zeit definiert.
Der zerstückelte Raum charakterisiert auch die großformatigen Gemälde von Ahmad Morshedlou. Der Künstler arrangiert seine realistisch gemalten Figuren in Andeutungen dunkler Wänden und Korridore, lässt sie mit hängenden Armen reglos dastehen, den Blicken der Betrachtenden schutzlos ausgeliefert - und doch scheinen sie uns aus den Augenwinkeln zu beobachten, abzuwarten; berührend und unheimlich zugleich.
Auch die Installation "Anonymous Martyr" von Mahmoud Bakhshi-Moakhar widmet sich dem düsteren Klima im Umgang mit dem Krieg zwischen Irak und Iran (1980-1988). Mithilfe simpler Objekte analysiert der Künstler die fortwährende Traumatisierung durch die jüngste Vergangenheit. Denn da die Regierung die gefallenden jungen Männer noch immer zu Propagandazwecken missbraucht, werden diese zu Dienern der Staatsideologie erhöht und damit zugleich besudelt. Durch einen Türspion sehen wir schließlich das Video eines jungen Mannes, der raucht, isst und spricht, denn das Leben geht in der schmalen Privatsphäre weiter.
Eine bittere Einsicht in die Alltagsästhetik schenkt uns auch die Untersuchung über Werbung, mit der sich Shirin Aliabadi & Farhad Moshiri vorstellen, die in Freiburg unterschiedliche Serien zeigen. So können wir Anzeigen aus der Zeit vor der Revolution mit zensierten Bildern aus hiesigen Modeheften vergleichen und dann die geschminkten iranischen Mädchengesichter zur Kenntnis nehmen, mit denen sich die Werber aus der Not helfen - Verführung zum Konsum ist ein globales Phänomen.
Dem Symptom der kontaminierten Worte sind sowohl Khosrow Hassanzadeh als auch Barbard Golshiri auf der Spur. In einer wunderbaren Siebdruck-Serie porträtiert Hassanzadeh die Mitglieder seiner Familie mit den jeweils eigenen Ikonen. Die subtile Charakterisierung steht im Gegensatz zum Bildtitel "Terrorist", der so oft benutzten Bezeichnung für Menschen im Nahen Osten. Barbard Golshiri zeigt in einer Videoarbeit ein Mädchen, das vor dem offenen Fenster das Wort Aleph (den erste Buchstabe im semitischen und griechisch-abendländische Alphabet) aussprechen will - ein Versuch, der erst nach einigen Minuten gelingt, die dem Publikum körperlich aufgezwungen werden.
Wundern kann man sich dagegen über Arbeiten, welche sich freiwillig der Selbst-Orientalisierung hingeben: Afsan Ketabchi führt sie mit Hilfe der Travestie von erotischen Fotos aus der späten Qajarenzeit ("Harem" 2005) vor, während Bita Fayyazi sich in das Unergründliche der iranischen Seele zurückzieht. Ihre monumentale Installation "Diva" zeigt eine gespensterhafte Alte, die auf einem Treppensockel aufgebahrt ist, vom dem gelbe Farbe herab fließt. Im Kleid und in den Accessoires der Figur versammeln sich Elemente der Literatur, des schiitische Ritus, politischer Ereignisse und der persönlichen Biografie, die als ein privater Mythos serviert werden.
Schließlich wird mit Gemälden von Akbar Mikhak ein wichtiger Vertreter der iranischen Moderne präsentiert, einer älteren Generation von Kunstschaffenden, welche die Tradition der traditionellen Abstraktion (z.B. Kalligraphie) mit westlichen Ismen verbinden. Im Ensemble der Freiburger Auswahl wirken Mikhaks Arbeiten allerdings antiquiert. Zweifellos könnte sich gerade in der Nachfolge dieser Bewegung (die von der jungen Szene geschmäht wird) ein bildhafter Diskurs der islamische Neuzeit eröffnen, die sich zwischen zwanghafter Anpassung, Appropriation und der Suche nach den eigenen Wurzeln befindet. Doch dies wäre das Thema einer anderen Ausstellung.
Susann Wintsch
Herausgeberin von Treibsand, DVD-Magazin für zeitgenössische Kunst. Lebt in Zürich, Schweiz.
Kuratorinnen:
Isabel Herda und Nicoletta Torcelli
Künstlerinnen und Künstler:
Mahmoud Bakhshi-Moakhar
Majid Koorang Beheshti
Bita Fayyazi
Shahab Fotoui & Neda Razavipour
Barbad Golshiri
Ramin Haerizadeh
Rokneddin Haerizadeh
Khosrow Hassanzadeh
Minoo Iranpour
Afshan Ketabchi
Simin Keramati
Akbar Mikhak
Mandana Moghaddam
Ahmad Morshedloo
Farhad Moshiri & Shirin Aliabadi
Iran.com - Iranische Kunst heute
22. Oktober 2006 - 28. Januar 2007