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Libanesische Vereinigung für Bildende Künste, gegründet 1994 von Christine Tohmé in Beirut.
Von Anne Maier | Feb 2006Drei Jahre nachdem der libanesische Bürgerkrieg das Land sechzehn Jahre lang in einen Sumpf aus Blut und Tränen gestürzt und mit ungeahnter Grausamkeit unter den Kasten der Granden und des Volkes gewütet hatte, gründete Christine Tohmé, eine junge Frau aus Beirut, Ashkal Alwan, The Lebanese Association for Plastic Arts. Mitten im zerstörten Beirut und getreu dem Diktum von Joseph Beuys, zeigt sie ihre und aller Wunden, beginnt 1994 mit ihrer non-profit Organisation künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum zu veranstalten.
Ashkal Alwan (Von Farben und Formen) versteht sich als ein Kunstverein "ohne festen Wohnsitz", der überall dort, wo es notwendig ist, eine Plattform für die Künstler der Region bietet. Zu den erklärten Zielen gehört es, kuratorische Aktivitäten kritisch zu hinterfragen, künstlerische Aktionen zu dokumentieren und zu versuchen, den Kunstprojekten einen institutionellen Rahmen zu geben. Die offene Struktur von Ashkal Alwan erlaubt es Christine Tohmé und ihren Mitstreitern, Ausstellungen zu organisieren, als Produzenten von Videos, Performances zu agieren, Publikationen zu verantworten und temporäre Orte für die zeitgenössische Kunst zu eröffnen. Gründungsmitglieder waren neben Christine Tohmé, Marwan Rechmaoui, Leila Mroueh, Rania Tabbara und Mustapha Yamout.
Breit angelegt und möglichst viele Sparten mit einschließend, hat sich Ashkal Alwan zu einem unverzichtbaren Instrument der künstlerischen Produktion weit über Beirut und den Libanon hinaus entwickelt. Im Nahen Osten, also in Ländern ohne akademische Tradition der zeitgenössischen bildenden Kunst, ist Ashkal Alwan mehr denn je zu einem wichtigen Partner der Vermittlung geworden. Wo und wie sonst lassen sich neue Produktionen über Grenzen hinweg in einem interkulturellen Dialog innerhalb der Region diskutieren? Ashkal Alwan ist Schnitt- und Schaltstelle der Kunstszene und nimmt seit seiner Gründung eine Sonderstellung ein. Geschickt hat Christine Tohmé ein Netzwerk geschaffen, das von nationalen und internationalen Förderern und Unterstützern getragen wird. Man kann und muss ihr vielleicht vorwerfen, dass sie die zeitgenössische Kunst allzu sehr von ausländischem Geld und den Launen ihrer Geldgeber abhängig gemacht hat. Aber wie sollte man sonst handeln, wenn staatliche Förderungen nicht vorhanden sind oder nicht in Betracht kommen. Der Notwendigkeit der Plattform tut dies erstmal keinen Abbruch, diese ist gegeben, ja sie ist wichtiger denn je.
Christine Tohmé, Mutter einer mittlerweile halbwüchsigen Tochter und keine Künstlerin, äußert sich nie im Kontext der von ihr veranstalteten Produktionen. Sie tritt ganz hinter den Arbeiten und den Künstlern zurück, agiert dementsprechend aus dem Hintergrund. So konnte es passieren, dass Christine Tohmé, die eigentliche Initiatorin des Kunstwunders von Beirut, so sehr neben Cathérine David und ihren Feldforschungen im arabischen Raum ins Abseits geriet, dass sie hierzulande relativ unbekannt blieb.
Im April 2002 fand in Beirut das erste internationale Festival Home Works statt. Das Konzept der Hausarbeiten, von Christine Tohmé für Ashkal Alwan entwickelt, sieht vor, alle 18 Monate die künstlerische Produktion vor Ort und aus der Region mit internationalen Experten zu diskutieren. Im April 2002, die zweite Intifada war gerade ausgebrochen, waren Fragen nach örtlicher wie emotionaler Entfremdung das zentrale Thema dieses ersten länderübergreifenden Festivals. Unter schwierigen Bedingungen durchgesetzt, wurden Arbeiten von Künstlern aus Ägypten, dem Iran, Irak, Libanon, Palästina und Syrien gezeigt. Sechs Monate nach der amerikanischen Invasion des Irak, im Oktober 2003, stand Beirut, Wunderkammer des Nahen Ostens und Katalysator zwischen Ost und West, im Mittelpunkt von Home Works II. Fragen nach dem vielleicht schon archäologisch zu betrachtenden Begriff "Heimatland" boten sich nachgerade an. Im November 2005, der Mord an Rafik Hariri, dem ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten, machte einen Aufschub von sechs Monaten notwendig, kam man zum dritten Mal zusammen, um Entwicklungen, Fort- und Rückschritte im beständigen Widerstreit zwischen globalen und lokalen Interessen, politischen Realitäten und urbanen Träumen zu erörtern und analysieren. (Siehe den Beitrag über Home Works III in diesem Magazin [1])
Begonnen hatte alles im Sanayeh Garden, einem der ältesten Gärten Beiruts, als 1995 zwanzig Künstler eine Woche lang ihre Arbeiten im öffentlichen Raum zeigten. Die rue Hamra, die ehemals illustre Geschäftsstraße, und die Uferpromenade Corniche wurden zum Spielorten für Beiruts Avantgarde. Ashkal Alwan hat Walid Raads Performance "My neck is thinner than a hair" koproduziert und in Beirut, also direkt vor Ort, den kritischen Blicken der Überlebenden des Bürgerkriegs präsentiert. Christine Tohmé: "From the experience of organising three editions of the Home Works Forum, it is no longer self-evident for us to assume that a platform makes true dialogue and cultural exchange possible. What the Home Works Forum allow for, rather, is a productive space in which political, social, economic and cultural realities can be explored, reflected and made manifest as visual and verbal articulations that occur with some consistency. These articulations have become our obsessions."
Anne Maier
Kuratorin und Kulturpublizistin, lebt in Berlin. Beim Art Forum Berlin verantwortlich für PR- und Öffentlichkeitsarbeit.
Leitung: Christine Tohmé
Spezielle Projekte: Rasha Salti
Projekt Koordination: Chaza Charafeddine
Leitungsassistenz: Masha Refka
Management: Alia Hamdan
Archiv: Chirine Abou Chakra
Website: Mansour Aziz