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Die Aktivitäten des alternativen Kunstzentrums im Kontext der Kunstszene in Amman, Jordanien.
Von Diala Khasawnih | Nov 2005Das Wort "makan" bedeutet in Arabisch "Ort". Das Wort ist elementar, vielbedeutend und eher allgemein, aber es weist auf etwas Weiträumiges, Offenes hin, das frei von Bedingungen ist. Und so soll Makan, das Haus des künstlerischen Ausdrucks, sein. Es nimmt die obere Etage eines zweigeschossigen Hauses ein, zu dem man von der Straße aus ein paar Stufen hinabgeht. Gäbe es am Eingang nicht das orangefarbene Banner, würde man es nur schwer finden. Sobald man die Stufen hinuntergestiegen ist und den Raum betreten hat, wird man von einer lockeren Atmosphäre empfangen, die manchmal von Musik erfüllt ist, oder aber die Räume sind voller Menschen, die zu einem Workshop oder einer Eröffnung gekommen sind. Ein anderes Mal ist es ruhig und entspannt, etwa dann, wenn nur einige Künstler auf dem Balkon die Sonne genießen.
Makan wurde im Frühjahr 2003 von Ola Khalidi gegründet. Nachdem sie an der University of Surrey in England ihren Master in Management abgeschlossen hatte, war sie in der Kulturszene aktiv. Sie arbeitete in der Beirut DC, einer Institution für Film in der libanesischen Hauptstadt, und war an der Gründung des Kulturcafés "Blue Fig" in Amman beteiligt. Sie sagte: "Ich hatte das Bedürfnis nach einem direkteren Kontakt zu den Künstlern selbst und wollte eine aktive Rolle in der sich gerade entwickelnden Kulturszene von Amman spielen, die noch jung ist und ein großes Potenzial hat. Langsam aber sicher nahm meine Vorstellung von Makan Gestalt an, was die Verwirklichung meiner Träume von solch einem Ort ist."
"Die Kunst in Jordanien macht große Sprünge hinsichtlich der Techniken und Stile. Die Künstler wagen mehr bei der Nutzung neuer Medien und Techniken für ihre künstlerische Arbeit und greifen auch neue Themen auf, bei denen sie sich u.a. mit der Gesellschaft, der Politik, Sexualität auseinandersetzen", fährt Khalidi fort. Die Kunst in Jordanien ist nach wie vor sehr von dem vorranging konservativen Ansatz geprägt, der alle Bereiche der Gesellschaft durchzieht. Doch mit den dramatischen Veränderungen, die die urbane Gesellschaft auf allen Gebieten durchmacht, verändern sich auch das künstlerische Schaffen und das Verständnis der Kunst. Heutzutage gibt es hier eine wachsende Zahl an nationalen und privaten Institutionen, die Kunst zeigen. Die ausländischen Organisationen vor Ort, wie z.B. das französische, spanische und deutsche Kulturzentrum und der British Council, spielen beim Bekanntmachen von Künstlern aus anderen Ländern in Jordanien eine wichtige Rolle. Gleichzeitig gewinnen jordanische Künstler und Kulturmanager durch ihre vielen Reisen neue Einsichten und Kenntnisse, was das Bewusstsein ihrer Rolle in der lokalen Kunstszene schärft. Jetzt hat sich das Verständnis des Publikums für verschiedene Ausdrucksformen der Kunst verbessert, wodurch es aufnahmebereiter für diese geworden ist. Ständig steigt die Zahl der Leute, die Filmfestivals, Konzerte, Ausstellungen und Theateraufführungen besuchen.
In diesem Kontext stellt Makan - oder: Das Haus des Ausdrucks, wie Ola Khalidi es lieber nennt - nicht nur einen Raum bereit, um verschiedene Formen zeitgenössischer Kunst zu zeigen. Es ist auch ein geeigneter Ort, um Kontakte zu knüpfen und Unterstützung zu finden und bietet die Chance, Ideen auszutauschen und neue zu entwickeln, aus denen Kunstprojekte entstehen können.
Makan befindet sich in einem Appartement, das mit seinen drei Trakten die für diese Region typische architektonische Struktur aufweist. Der zentrale Trakt ist der öffentliche Raum, genutzt für Ausstellungen, Filmvorführungen und Konzerte. Von hier gehen Türen zu anderen funktionalen Räumen ab: auf der einen Seite das Büro und ein Atelier, auf der anderen Seite ein Raum für verschiedene Zwecke, das Bad (selbst das muss gelegentlich als Ausstellungsraum herhalten) und die Küche, die - wenn nötig - als Fotolabor genutzt werden kann. Zwei dieser Räumen gelten als "Künstler-Inkubatoren", weil sie als Atelier bzw. Arbeitsräume zur Verfügung gestellt werden können. Einen davon hat der Künstler und Musiker Ala' Diab, der inzwischen Mitglied von Makan und dessen Grafikdesigner geworden ist, schon seit Monaten belegt. Am Ende des Haupttrakts befindet sich der Balkon, auch genutzt als Treffpunkt, Raucherzone und manchmal für Ausstellungen. Der Balkon ist Makans "Auge" zur Stadt hin, von dem aus man die hügelige Topographie von Amman sieht, eine dynamische Szenerie mit vielfältigen Perspektiven und in die Tiefe gestaffelten Ebenen, die sich dem Blick darbieten.
Makan liegt in Jebal al Luweibdeh, einem Viertel, das in den vierziger und fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch im Zentrum der Stadt lag. Seine hübschen Steinvillen und üppigen Gärten sind Zeugnisse der Architektur jener Zeit und lassen den kulturellen und ökonomischen Status der Besitzer erkennen. Heute leben in Jebal al Luweibdeh Leute mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund, von kleinen ethnischen Minderheiten bis zu vorläufigen Bewohnern, die auf ihre Einwanderungsvisa warten. Das bringt eine Atmosphäre der Toleranz und gegenseitigen Akzeptanz mit sich und erfüllt die ruhigen Straßen mit einer farbenprächtigen Vielfalt. Diese Gegend entwickelte sich zu einem Motor der Künste in Amman. Ganz in der Nähe von Makan befindet sich Darat al Funun, ein weitläufiges Kunstzentrum mit Ausstellungsräumen, einer Bibliothek und Ateliers [1]. An einem schönen Park liegt die Jordan National Gallery, zu der zwei Gebäuden mit Ausstellungsräume sowie ein Café und eine Druckwerkstatt gehören. [2] Ebenfalls in diesem Viertel und nur ein paar Minuten Fußweg von Makan entfernt sind die Künstlervereinigung und die Dar al Anda Galerie sowie diverse Künstlerateliers, künstlerische Werkstätten, Studios für Kunsthandwerk und weitere Ausstellungsräume.
In den ersten Jahren seiner jungen Existenz hat Makan an vielfältigen Aktivitäten teilgenommen bzw. diese beherbergt und organisiert, darunter Ausstellungen, Musikdarbietungen, internationale und nationale Workshops, Filmvorführungen und anderes mehr. Im Oktober 2004 richtete Makan in Kooperation mit dem Young Arab Theatre Fund die "Amman Meeting Points" aus, ein großes Kunst-, Film- und Musikfestival an fünf verschiedenen Veranstaltungsorten mit Teilnehmern aus Jerusalem, Beirut, London, Amsterdam, Kopenhagen, Kairo, Paris und Amman. Es hatte Grenzen und Reisen zum Thema, und Amman selbst war wegen seiner historischen Rolle als Kreuzungspunkt eine passende Kulisse. Die Besucher gingen von einem Ort zum anderen und bekamen auf diese Weise die urbane Struktur der Stadt mit.
Zum Beispiel Sharif Waked aus Jerusalem zeigte in der Videoarbeit "Chic Point" seine Sicht der repressiven israelischen Kontrollpunkte als humorvolle Modenschau. [3] Amal al Kenawy aus Kairo schockierte das Publikum mit zwei Videoinstallationen über Frauen und deren Körper, auf die Liebesgeschichten und soziale Statements direkt projiziert wurden. Oraib Touqan aus Amman bedeckte eine Wand mit einem großen Schwarzweißfoto von zwei palästinensischen Flüchtlingsfrauen, die in einem Lager in Beirut leben. Im harten Kontrast zu diesem Foto waren lange Neonlichter auf der pinkfarbenen Wand arrangiert, und Projektionen auf die Emailleoberfläche eines Waschbeckens im Raum spielten auf das Nachtleben in derselben Stadt an. Lidwien Van de Ven aus Rotterdam zeigte ihre Fotografien von mehreren Grenzen im Nahen Osten auf großen Schautafeln, auf denen normalerweise Werbung zu sehen ist.
Zurzeit bereiten Makan und der Young Arab Theatre Fund die zweite Edition dieser Veranstaltung vor, die Mitte November 2005 beginnt. Daraus soll ein jährliches Festival werden, das abwechselnd in verschiedenen arabischen Nachbarländern und möglicherweise auch anderswo stattfindet.
Ein wichtiger Teil der Aktivitäten von Makan ist den Kindern gewidmet, um deren Ausdrucksfähigkeit als Teil der charakterlichen Entwicklung zu fördern. So fand im Juli 2004 in Kooperation mit der Stadtverwaltung und den lokalen Bibliotheken in sechs ärmeren Gegenden von Amman ein Sommerworkshop für Kunst statt. Angeleitet von 6 Künstlern nahmen 270 Kinder einen Monat lang an drei Arten von Workshops teil: Malen und Zeichnen, Musik, Theater. Ihnen wurde die Arbeit von jungen professionellen Künstlern diverser künstlerischer Genres nähergebracht, sie erlernten mehrere Techniken und den Umgang mit unterschiedlichen Materialien und Stilen.
Im April 2005 richtete Makan einen fünftägigen Workshop für Animation aus, den die Internationalen Entwicklungsagentur Schwedens gesponsort hat. Daran nahmen Künstler der Bereiche visuelle Künste, Theater und Fernsehen teil. Sie wurden von schwedischen Spezialisten für Animationsfilm unterrichtet, um dann ihrerseits als Lehrkräfte für Kinder und junge Menschen zu arbeiten. Einer solcher nachfolgender Workshop wurde bereits in einem Jugendzentrum für Kinder aus ärmeren Familien durchgeführt. Makan plant, weitere Aktivitäten dieser Art in palästinensischen Flüchlingslagern anzubieten.
Derzeit beginnt Makan mit Projekten für Kinder auch außerhalb von Amman, wobei mit lokalen Organisationen zusammengearbeitet wird. Da Kunst in den Schulen nur auf eine sehr formalisierte und standardisierte Weise gelehrt wird, soll die Kreativität dieser Kinder gefördert werden. Der erste Kunstworkshop fand in dem Dorf Samma im Norden Jordaniens statt und wurde von den Künstlerinnen Diala und Alma Khasawnih geleitet, die freiwillig und unentgeltlich ihre Zeit und ihre Fähigkeiten für die Kinder einsetzten, damit aber auch den Horizont ihres eigenen künstlerischen Schaffens erweiterten.
Alma Khasawnih, die bis vor kurzem das dritte Mitglied von Makan war, geht jetzt in die USA, um dort Kunsterziehung zu studieren. Alma glaubt fest an die Macht der Kunst und des künstlerischen Schaffens. "Kunst zu machen gibt einem Kraft. Wenn Menschen, deren Gemütsverfassung, Wünsche, Meinungen und Ideale von den Eltern, den Schulen und Regierungen dirigiert wurden, eine entsprechende Chance erhalten und bei sich selbst die Fähigkeit entdecken, ein Stück Papier und Farben oder auch Scheren und Klebstoff so zu benutzen, dass das Resultat von anderen als Kunst bewundert und anerkannt wird, entwickeln ein Gefühl von Freiheit, von der Freiheit des Individuums und der eigenen Selbstverwirklichung."
Makan erkundet fortwährend neue Ideen und wagt sich auf wenig erschlossene Gebiete der Kunst vor. Ständig leistet das "Haus des Ausdrucks" Beiträge zur lokalen Kunstszene und schlägt durch den Austausch von Werken und Erfahrungen und durch die Bereitstellung einer Ausstellungsmöglichkeit Brücken zwischen Künstlern aus Jordanien und anderen Ländern.
Anmerkungen, Links:
Diala Khasawnih
Studierte Architektur und Innendesign. Lebt als Künstlerin und Autorin in Amman, Jordanien.
Gründerin, Leiterin: Ola Khalidi