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Neues Gebäude der Jordan National Gallery of Fine Arts. Interview mit Direktor Dr. Khalid Khreis.
Von Pat Binder & Gerhard Haupt | Jun 2005Als wir die Nationalgalerie für Schöne Künste Jordaniens in Januar 2004 in diesem Magazin vorstellten (siehe Links ganz unten), wurde bereits an deren Erweiterungsbau gearbeitet. Dafür hat die Royal Society of Fine Arts (RSFA), die Betreiberinstitution der Nationalgalerie, ein Gebäude genau gegenüber des 1980 eröffneten Stammhauses auf der anderen Seite des Muntazah-Parks im Viertel Jabal Weibdeh erworben. Da ein großer Neubau nicht finanziert werden konnte, war diese Zweiteilung die einzige Chance, die angewachsenen Sammlungen, wechselnde Ausstellungen, die Bibliothek und andere Einrichtungen unterzubringen.
Die RSFA machte aus der Not eine Tugend, indem sie den Park zwischen ihren beiden Häusern in das Umgestaltungskonzept einbezog. Dort entstanden u.a. ein Modellgarten mit Pflanzen, die wenig Wasser brauchen, ein japanischer Garten, ein Kunst-Café und ein Skulpturengarten mit Freilichtbühne. So zieht dieser öffentliche Raum zusätzlich Publikum an, das für die Nationalgalerie interessiert werden kann. Spezielle Bildungsprojekte richten sich vor allem an die Jugend.
Nach zweijähriger Arbeit konnte der Erweiterungsbau der Nationalgalerie für Schöne Künste Jordaniens am 15. Mai 2005 von König Abdullah II und Königin Rania eröffnet werden.
Dank einer Einladung der Royal Society of Fine Arts waren wir unter den zahlreichen ausländischen Gästen und konnten uns mit Prinzessin Wijdan Ali, der Gründerin und treibenden Kraft beider Institutionen, sowie mit Dr. Khalid Khreis, dem Direktor der Nationalgalerie, über ihre Konzepte unterhalten. In diesem Email-Interview mit Dr. Khreis sind die wichtigsten Aspekte zusammengefasst:
Haupt & Binder: Die Nationalgalerie für Schöne Künste Jordaniens war über 20 Jahre lang in einem Gebäude untergebracht. Wann wurde Ihnen klar, dass der Platz nicht mehr ausreicht und vom wem ging die Initiative für die Erweiterung aus?
Dr. Khalid Khreis: In den letzten 3 Jahren wurde viel über die Erweiterung der Nationalgalerie nachgedacht, um mehr Kunstwerke aus anderen Ländern unterzubringen und mehr junge Talente aus Jordanien einzubeziehen. Angesichts dieser Notwendigkeiten sowie der vergrößerten Sammlungen und Schenkungen, entschieden Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Wijdan Ali, Präsidentin der Royal Society of Fine Arts, und ich, das Erweiterungsprojekt in Angriff zu nehmen. Es war ein glücklicher Umstand, dass wir das unserem ersten Sitz genau gegenüberliegende Gebäude dafür bekommen konnten. Das dreigeschossige Wohnhaus aus den 1950er Jahren wurde gekauft und umgebaut. Angesichts des dazwischen liegenden Parks entstand die Idee, dort einen Skulpturengarten zu schaffen.
H&B: Warum wurde ein weiteres Haus angeschafft, statt in ein größeres zu ziehen?
Dr. Khreis: Anfangs war das eigentlich die Idee. Pläne für ein neues Gebäude waren schon skizziert worden, und ein mögliches Grundstück dafür hatten wir ausfindig gemacht. Aber angesichts der kolossalen Kosten entschieden wir, am Standort im Viertel Jabal Weibdeh zu bleiben und das dem alten gegenüberliegende Gebäude zu renovieren.
H&B: Die Renovierung erfolgte in Kooperation mit dem Architekten Tom Postma. Wie ging die Zusammenarbeit vonstatten? Was waren die hauptsächlichen Veränderungen in den Gebäuden und wie werden sich beide Häuser hinsichtlich der Sammlungen und Aktivitäten komplementieren.
Dr. Khreis: Wir haben den Architekten Tom Postma kennengelernt, als er die "Kulturstraße" in Amman gestaltete. Nachdem wir ihm die Pläne für den alten Ort und den anliegenden Park vogestellt hatten, schlug er ein recht teures Gestaltungskonzept vor. In Gesprächen zwischen Ihrer Hoheit Prinzession Wijdan, Tom Postma, dem jordanischen Architekten Mazen Shaban und mir einigten wir uns auf ein Design, das nach unserer Auffassung sowohl mit dem Charakter dieses Ortes als auch mit den speziellen Anforderungen, an die wir dachten, in Einklang steht.
Eines der Hauptziele bestand darin, Räume zu schaffen, die Ausstellungen höchster Qualität beherbergen und dem Publikum ein angenehmes Ambiente bieten können. Dafür verbesserten wir die Raumbedingungen, wie z.B. die Klimaanlage, Luftbefeuchtung und Heizung, moderne Beleuchtungs- und Sicherheitssysteme. Das Erscheinungsbild der beiden Gebäude hinsichtlich der Böden, Wände und Decken wie auch der Haupteingänge sollte sehr ähnlich sein, so dass sich beide Häuser ergänzen würden. Die Räumlichkeiten und Funktionen beider Gebäude bilden eine Einheit. Da das neue Haus fast zweimal größer als das alte ist, konnten dort neue Einrichtungen untergebracht werden: spezielle Räume für die Präsentation von Videoinstallationen, eine Halle für besonders große Exponate, eine bestens ausgestatte Grafikwerkstatt für professionelle Künstler und Kunststudenten sowie eine Kunstbibliothek und ein Archiv. Im alten Haus gibt es jetzt einen interessanten Museumsshop, in dem u.a. originale Kunstwerke, Kunstbücher, Reproduktionen und erlesenes Kunsthandwerk angeboten werden.
H&B: Wie steht die Royal Society of Fine Arts zu "neuen" Kunstpraktiken, wie Video, Medienkunst, Installationen, etc.?
Dr. Khreis: Die RSFA fördert "neue" experimentelle Kunstpraktiken. Sie hat entsprechende Ausstellungen und Aktivitäten veranstaltet und wird das auch künftig tun. So richtet die Nationalgalerie z.B. in Kooperation mit dem französischen Kulturzentrum in Amman für lokale Künstler einen Workshop für Videokunst aus. Zusammen mit dem Goethe-Institut, dem deutschen Kulturinstitut, organisieren wir einen Workshop für Lithographie. In der Nationalgalerie gibt es die Grafikwerkstatt und andere Einrichtungen, die es uns ermöglichen, Vorträge, Seminare und Workshops zu "neuen" Kunstpraktiken durchzuführen, die sowohl der künstlerischen Weiterbildung zugute kommen als auch das allgemeine Publikum dafür sensibilisieren. Wir planen auch ein Symposium für Skulptur und Installation.
H&B: Wird die JNG ihren Fokus auf die sogenannten Entwicklungsländer beibehalten?
Dr. Khreis: Die Jordan National Gallery of Fine Arts wird auch weiterhin Künstler aus "Entwicklungsländern" fördern, indem sie deren Werke in Jordanien und im Ausland zeigt und die Kunst der Region dortselbst und in anderen Teilen der Welt bekanntmacht. Es ist der JNG gelungen, kulturelle Distanzen zu verringern, indem sie in Kooperation mit zahlreichen internationalen Museen und Kulturstiftungen Ausstellungen aus diversen Teilen der Welt zeigte. Darüber hinaus expandiert unsere Sammlung nicht nur durch neu hinzukommende Künstler aus "Entwicklungsländern", sondern auch durch bestimmte, von uns "Neo-Orientalisten" genannte, zeitgenössische westliche Künstler.
H&B: Was ist die Politik der JNG hinsichtlich internationaler Wechsel- und Wanderausstellungen, die sie in ihren Räumen zeigt oder anderswo hinschickt?
Dr. Khreis: Die JNG organisiert Wanderausstellungen in anderen Ländern und empfängt größere Ausstellungen aus verschiedenen Teilen der Welt. Sie will den Kulturdialog und den künstlerischen Austausch fördern in der Überzeugung, dass dieser dem gegenseitigen Verständnis und der Toleranz zwischen den Nationen förderlich ist. Als Beispiele internationaler Ausstellungen, die wir in den letzten drei Jahren ins Ausland geschickt haben, seinen genannt:
- "Between Legend & Reality", moderne Kunst aus der arabischen Welt, präsentiert in Island 2002 im Akureiri Art Museum und 2003 im Kunstmuseum Reykjavik.
- "Breaking the Veils: Women Arts from the Islamic World", veranstaltet von unserer Royal Society of Fine Arts und dem in Griechenland beheimateten Pan-Mediterranean Women Artists Network. Seit der Eröffnung in Rhodos 2002 durch Ihre Majestät Königin Rania Al-Abdullah von Jordanien war sie bislang in 12 Städten 5 europäischer Länder zu sehen.
- "Au Delà Du Réalisme", zeitgenössische Malerei aus Jordanien, 2004 im Rathaus von Paris.
Die Nationalgalerie Jordaniens hat in den letzten Jahren diverse größere Ausstellungen aus dem Ausland empfangen, so z.B. die des spanischen Bildhauers Miguel Navarro, in Kooperation mit der spanischen Botschaft und dem Instituto Cervantes in Amman, sowie "Colors of Malaysia", 19 Künstler Malaysias, in Zusammenarbeit mit der Malaysian Watercolor Organization.
Pat Binder & Gerhard Haupt
Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunst. Leben in Berlin.
Royal Society of Fine Arts
Gründerin, Präsidentin: Prinzessin Wijdan Ali
Jordan National Gallery
of Fine Arts
Generaldirektor:
Dr. Khalid Khreis