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Interview mit Johannes Ebert, Direktor des GI Kairo / Alexandria, Regionalbeauftragter für Nahost und Nordafrika.
Von Pat Binder & Gerhard Haupt | Mär 2005Haupt & Binder: Könnten Sie kurz umreißen, welches ihre spezifischen konzeptionellen Ansätze für die Arbeit des GI in Ägypten sind? Worin sehen Sie besondere Aufgaben und Herausforderungen in der Region, für die Sie auch der Regionalbeauftragte des GI sind?
Johannes Ebert: Die Wahrnehmung der Region Nahost/Nordafrika in Deutschland und Europa ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Das betrifft auch die Bereiche Kultur und Bildung, in denen das Goethe-Institut tätig ist. Gerade hier gibt es besonders viele Freiräume in Gesellschaften, die nicht immer offen sind. Gerade hier ist Raum für Kreativität, Kritik und Reflexion gesellschaftlicher Wirklichkeit, wie sie für Veränderung notwendig ist. Die Goethe-Institute in der Region versuchen diese Freiräume zu nutzen.
Besondere Herausforderungen? Da ist zum einen das Misstrauen auf beiden Seiten, das sich seit dem 11. September 2001 aufgebaut hat. Da sind Defizite auf dem Weg zu einer modernen Wissensgesellschaft in vielen arabischen Ländern, wie sie beispielsweise der von arabischen Spezialisten im Auftrag der UNDP erstellte "Arab Human Development Report" beschreibt. Es gibt zahlreiche zivilgesellschaftliche und Reformansätze, die es zu unterstützen gilt. Die Goethe-Institute in der Region versuchen, das Verständnis für die demokratischen Grundsätze unserer Gesellschaft und damit die wechselseitige Akzeptanz zu erhöhen. Sie tragen in zahlreichen Projekten zu einer Erweiterung des Informationszugangs bei. Sie unterstützen und stärken innovative Formen, Strukturen und Netzwerke in Kunst, Kultur, Informations- und Bildungswesen. Sie vermitteln Know How, Wissen und Erfahrungen in diesen Bereichen und tragen unter anderem über die zahlreichen Initiativen im Bereich Deutschunterricht zu einer Modernisierung des Bildungswesens bei. Auch die Tatsache, dass die Bevölkerungen unserer Gastländer immer jünger werden, hat direkten Einfluss auf unsere Programme.
H&B: Das GI in Kairo scheint enge Kontakte zur lokalen Kultur- und Kunstszene zu unterhalten, was sich u.a. in einer Reihe gemeinsamer Projekte und Veranstaltungen ausdrückt. Welche konkreten Erfahrungen haben Sie dabei machen können? Kommt der vielbeschworene Kulturdialog tatsächlich zustande?
Ebert: In der Tat legen wir sehr viel Wert darauf, uns mit der lokalen Kulturszene zu vernetzen. Das ist eine Grundaufgabe aller Goethe-Institute und das können wir auch am besten leisten, weil wir vor Ort sind. Es bedeutet aber große Anstrengungen, Offenheit und Eintauchen in die jeweiligen Szenen.
Der Begriff "Dialog" ist inzwischen schon etwas überstrapaziert. Bisweilen habe ich auch den Eindruck, dass die Erwartungen an diesen Dialog zu hoch sind, vor allem in Hinblick darauf, wie schnell er wirksam werden kann. Wir brauchen Zeit, wir brauchen eine hohe Zahl von Begegnungen vor allem zwischen jungen Menschen unserer beider Kulturen und wir sollten auf beiden Seiten die fördern, die sich aktiv für eine Annäherung zwischen den Kulturen einsetzen. Erst dann setzen Prozesse ein, die zu einer Veränderung der Wahrnehmung auf beiden Seiten führen, und dann in Gesellschaften hineinwirken können. Obwohl diese Art des Dialogs aufwändig und seine Wirksamkeit nicht immer einfach messbar ist, haben wir dazu überhaupt keine Alternative, denn wir müssen eine konstruktive Annäherung der Gesellschaften als Zukunftsaufgabe sehen.
Konkrete Erfahrungen? Ich bin kein großer Freund der immer wieder stattfindenden Dialog-Konferenzen, wo sich Experten treffen und ihre Meinungen austauschen. Sie haben ihre Berechtigung, wenn es um den Einstieg in neue Themen oder die Stärkung von Netzwerken geht. Wir sollten jedoch bereits eine Phase erreicht haben, wo die Dinge konkreter werden und über den engen Kreis der Experten hinausgehen. Am besten gelingt unserer Erfahrung nach der Dialog dort, wo sich Menschen, seien es Künstler, Musiker, Lehrer, Verleger, Studenten oder Schriftsteller etwas gemeinsam erarbeiten müssen und sich dafür auch ein wenig Zeit nehmen. Sie erfahren und erspüren dabei ihren Partner und erhalten viel tiefere Einblicke, die sie dann, zurückgekehrt in die eigene Gesellschaft, befähigen, ihre Erfahrungen weiterzugeben. Ich denke da an Projekte wie die Kooperation zwischen dem Kölner Gitarristen Ansgar Krause und dem Oud-Spieler Naseer Shamma, die sich über drei Wochen ein gemeinsames Konzertprogramm erarbeitet und - aus völlig unterschiedlichen Musiktraditionen kommend - sehr viel voneinander gelernt haben. Oder die Projektreihe Dar al-Hiwar, wo junge Künstler aus Deutschland und Ägypten schon im dritten Jahr an gemeinsamen Projekten arbeiten, wobei hier nicht nur das Ergebnis, sondern die Dokumentation der Zusammenarbeit für uns sehr hohe Priorität hat.
H&B: Wir können uns vorstellen, dass die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern angesicht der offenkundigen Spannungen und Konflikte innerhalb der Kulturszene Ägyptens oft nicht einfach ist. Bemüht sich das GI strikt um Neutralität oder fördern Sie bewusst bestimmte Ansätze, z.B. durch Kooperationen?
Ebert: Ich habe eingangs versucht, die Prinzipien zu skizzieren, nach denen wir arbeiten. Daraus ergibt sich, dass wir nicht neutral sind in den Dingen, die wir fördern, oder den Partnern, mit denen wir Kooperationen eingehen. Wie gesagt, es sind in der Regel zivilgesellschaftliche Projekte, innovative Strömungen außerhalb und innerhalb der staatlichen Strukturen sowie ästhetisch progressive Ansätze. Außerdem möchten wir insbesondere junge Menschen ansprechen und beziehen bewusst Frauen mit ein. Das Goethe-Institut blickt in Ägypten auf eine fast 50jährige Geschichte zurück mit zahlreichen gewachsenen Partnerbeziehungen. Immer wieder wird in diesem Rahmen von uns eine Position eingefordert.
H&B: Nach welchen Kriterien werden bei Goethe-Institut in Ägypten Projekte geplant und realisiert? Können z.B. Künstler, Kuratoren etc. aus Deutschland oder Ägypten mit Vorschlägen an das GI herantreten?
Ebert: Wir freuen uns über gute Ideen, die an uns herangetragen werden. Sie müssen jedoch die oben genannten Bedingungen erfüllen. Dazu muss in der Konzeption ein inhaltlicher Bezug zu oder ein persönlicher Dialog mit Deutschland und Europa zu sehen sein. Eine Vorbedingung für die Realisierung deutscher Initiativen ist das Engagement eines ägyptischen Partners, da wir vermeiden wollen, ein Projekt zu installieren, das an den Bedürfnissen der hiesigen Szenen vorbeigeht. Wenn bei einem Projekt deutsche Künstler oder Literaten beteiligt sind, so haben wir in unserer Zentrale in München unser Fachabteilungen, die uns bei der Auswahl beraten. Diese werden wiederum von Fachbeiräten unterstützt, deren Mitglieder aus der deutschen Kultur- und Bildungsszene kommen.
H&B: An welchen wichtigen Projekten arbeiten Sie gerade? Welche Pläne gibt es für die nähere Zukunft?
Ebert: Wir haben natürlich zahlreiche Pläne in ganz unterschiedlichen Arbeitsbereichen des Instituts. Wenn wir uns auf den Bereich Bildende Kunst beschränken, dann ist das zum einen für die zweite Jahreshälfte ein Design-Schwerpunkt mit Workshops, Diskussionsrunden und Ausstellungen. Wir arbeiten bereits seit längerem in diesem Bereich, haben beispielsweise Workshops zum Industriedesign organisiert, und wollen unsere Anstrengungen jetzt fokussieren. Weiterhin planen wir ein Lichtkunst-Projekt in der Kairoer Altstadt mit jungen deutschen und ägyptischen Künstlern. Ein sehr aufwändiges Projekt, bei dem viele staatliche Stellen beteiligt und um Erlaubnis gefragt werden müssen. Ich glaube jedoch, dass am Ende alle davon einen Nutzen haben werden und hoffe deshalb, dass wir es realisieren können.
Pat Binder & Gerhard Haupt
Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunst. Leben in Berlin.