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Interview mit Jim Supangkat über die CP Biennale 2005 und den Protest der Front der Verteidiger des Islam.
Von Hendro Wiyanto | Nov 2005Hendro Wiyanto: Was war Ihre erste Reaktion, als sie von der Forderung der FPI erfuhren, die Arbeit von Agus Suwage und Davy Linggar aus der Ausstellung zu entfernen, weil sie als pornographisch und respektlos gegenüber den heiligen Lehren des Islam angesehen wird?
Jim Supangkat: Zunächst einmal wägte ich mögliche Konsequenzen der Forderung der FPI ab, die als radikal und militant bekannt ist, so dass man bei ihr mit Angriffen und Zerstörungen rechnen muss. Die Zeitungen meinten jedoch, sie würde keine anarchischen Aktionen starten, sondern mit rechtlichen Mitteln vorgehen. Deswegen dachte ich zuerst, ich müsste die Arbeit von Agus und Davy nicht aus der Ausstellung entfernen.
Doch die FPI brachte 500 Leute zusammen, die von der Polizei die Erlaubnis für eine Demonstration erhalten hatten. Auf Grund falscher Informationen zog die Hälfte von ihnen zum Hauptsitz der Bank Indonesia in der Thamrin Straße. Die Polizei nahm sie im Viertel Tanah Abang fest. Aber etwa 250 Demonstranten kamen mit Bussen und Lastwagen am Museum der Bank Indonesia an, wo die Biennale stattfand.
Infotainmentprogramme im Fernsehen haben die Arbeit von Agus und Davy zum Stadtgespräch gemacht, weil eine der nackt dargestellten Figuren der populäre Schauspieler Anjasmara ist. Das wird den öffentlichen Disput gefördert haben, denn bald schon schlossen sich viele Muslime dem Protest der FPI an. In Interviews verurteilten einige muslimische Führer das Werk.
Ich denke, dass nicht alle Muslime mit der FPI übereinstimmen. Allerdings glaube ich aber auch, dass keine muslimische Organisation sagen würde, die in der Arbeit von Agus und Davy präsentierte Nacktheit sei religiös akzeptabel. Daher fürchtete ich vor allem einen breiter angelegten religiösen Konflikt.
Wiyanto: Hätten Sie als Chefkurator der Biennale jemals geglaubt, dass die Arbeit bestimmte Gruppen provozieren könnte?
Supangkat: Ja, und nicht nur ich. Die Ko-Kuratoren und an der Biennale teilnehmenden Künstler sagten dasselbe: diese Arbeit könnte die Produzenten von Infotainmentprogrammen und in der Folge die FBI auf den Plan bringen. Da ich jedoch an die Freiheit des Ausdrucks glaube, lag es mir fern, Agus Suwage und Davy Linggar um eine Modifizierung ihres Werkes zu bitten.
Wiyanto: Hatten Sie zuvor davon gehört, dass die FPI die Utan Kayu Gemeinschaft in Jakarta terrorisierte oder einschüchterte, weil man sie als einen für liberale islamische Ideen in Indonesien zunehmend wichtigen Ort ansieht? [1]
Supangkat: Ich habe den "Krieg" zwischen der FPI und der Utan Kayu Gemeinschaft verfolgt. Eben deswegen wusste ich, welche Macht die FPI hat.
Wiyanto: Was ist Ihrer Meinung zufolge das Hauptanliegen des Werkes von Agus und Davy, in dem digitale Bildbearbeitung benutzt wurde, um fast nackte Prominente zu zeigen? Warum haben die beiden Künstler berühmte Leute gewählt, wobei von vornherein mit sensationalistischen Berichten der Boulevardmedien zu rechnen war?
Supangkat: Die Arbeit von Agus und Davy zeigt einen urbanen Raum mit einer wirklich persönlichen Atmosphäre. Man stelle sich ein Appartement, eine Eigentumswohnung oder eine Villa vor, in denen die Bewohner eine uneingeschränkte Privatsphäre haben. Durch eine Fahrradrikscha, die hier als Schaukel benutzt wird, entstehen ironische Spannungen, die verdeutlichen, dass es Agus nicht darum geht, den urbanen Raum zu feiern. Die Fahrradrikscha kann als Parodie gesehen werden, weil sie uns an die Rikschafahrer denken lässt, die im Zuge der Landflucht in die Städte gezogen sind, aber nicht gerade als typische Stadtbewohner zu kategorisieren wären.
Diese Arbeit widerspiegelt das Thema der Biennale: Städte werden nicht nur von urbanen Leuten bevölkert (der Zivilgesellschaft, die sich ihrer bürgerlichen Rechte bewusst ist), sondern auch von armen Stadtbewohnern (die dem Leben in der Gemeinschaft verhaftet und sich ihrer bürgerlichen Rechte nicht bewusst sind). Sie kommen aus ländlichen Gebieten, in denen schon lange Armut herrscht. Obwohl sie häufig städtische Symbole verwenden, um mit den aktuellen Trends Schritt zu halten, ist ihnen Urbanität fremd.
Hinsichtlich der Idee, in dieser Arbeit nackte Prominente zu präsentieren, sehe ich keinen wesentlichen Grund, die Nacktheit in einem spezifischen Sinne zu interpretieren. Das müssen die Künstler schon selbst erklären.
In der Arbeit von Agus und Davy sind die Genitalien der Modelle von weißen Kreisen bedeckt. Diese Kreise wurden von den Künstlern in voller Absicht digital eingefügt. Aber im Fernsehen und auf Fotos in der Presse wirkt das wie eine Zensurmaßnahme. Dieser Versuch, sensationalistische Effekte zu erreichen, kann irreführend sein und unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Wer diese Arbeit nie komplett sieht, mag denken, die Modelle seien total nackt mit zur Schau gestellten Sexualorganen.
Wiyanto: Hat die FPI ihre die Forderung auf dem Rechtsweg in geschriebener Form vorgebracht? Gibt es Bemühungen in dieser Richtung?
Supangkat: Sie hat ihre Einwände in den öffentlichen Medien publiziert, aber keinen Brief oder irgendeine Benachrichtigung an den Veranstalter der CP Biennale 2005 geschickt. Erst nachdem sie demonstriert hatte, schickte sie ihre Anzeige an die Polizei, damit sie an das Gericht weitergeleitet wird. Die Punkte der Anzeige betreffen erstens das Ausstellen des Werkes von Agus-Linggar, das der FPI als pornographisch gilt, und zweitens, dass das Werk die Religion entwürdige. Sie verklagt Davy Linggar als Fotografen sowie die Modelle Isabella und Anjasmara und auch den Veranstalter der CP Biennale 2005. Agus Suwage erscheint nicht auf der Liste.
Die Polizei hat das Team der Bank Indonesia als Eigentümer des Ausstellungsraumes vorgeladen. Am 12. Oktober wird der Manager für Logistik der Bank Indonesia begleitet von Mitarbeitern seiner Rechtsabteilung die Polizei treffen. Danach werde ich wohl dran sein, vermute ich. Ich fühle mich frei, weil ich mir um das Gebäude der Bank Indonesia und die Arbeiten der Künstler keine Sorgen zu machen brauche, denn die Ausstellung ist ohnehin schon zu Ende. Ich habe beschlossen, allein zur Vorladung zu gehen, ich will niemand weiter in diesen Fall verwickeln, und ich glaube nicht, das mir irgendwelche Rechtsanwälte helfen könnten. Ich werde in Begleitung meines unsichtbaren Partners, meines Schutzengels, gehen.
Wiyanto: Sie haben angekündigt, die CP Open Biennale in zwei Jahren nicht mehr veranstalten zu wollen. Ist das eine endgültige Entscheidung?
Supangkat: Die Entscheidung, die Durchführung der Biennale abzubrechen, ist endgültig. Den Künstlern, die mir gegenüber ihre Sympathie und ihr Bedauern über das Ende der CP Biennale ausgedrückt haben, sagte ich, "die CP Biennale muss als Märtyrerin sterben, aber ich und die CP Stiftung leben noch".
Wiyanto: Was glauben Sie, wird nach diesem Vorfall die "religiöse Kontrolle" seitens bestimmter Gruppen größere Wirkungen auf die zeitgenössische Kunst in Indonesien haben? Wird seitens der indonesischen Künstler als Antwort auf solche Kontrolle so etwas wie Widerstand entstehen?
Supangkat: Ich denke, die FPI repräsentiert nicht die Muslime insgesamt, selbst wenn die von ihr vorgebrachten Grundsätze von Muslimen nicht negiert werden können. Deren Protest, der jenseits der Plattform der Kunst und der Probleme der modernen Welt liegt, auf das Gebiet der Kunst zu beziehen, kann uns nur zu falschen Schlussfolgerungen bringen. Der Versuch eines Widerstands, und schlimmer noch, wenn dieser bloße Rhetorik ist, würde mit dem Vorwurf verbunden sein, der Islam sei gegen die Freiheit des Ausdrucks und, letztendlich, der Islam sei gegen die Kunst. Nach meinem Dafürhalten ist solch eine Schlussfolgerung unfair, und mir bereitet Sorgen, dass solch eine Rhetorik bald schon vom Westen übernommen wird. Meine Frage ist: Können Menschen in der westlichen Welt verstehen, dass dieser Vorfall nur als ein Resultat des Zusammenpralls der Zivilisationen geschehen konnte?
Wiyanto: Ist es Ihrer Meinung nach notwendig, dass sich die Kuratoren in Indonesien religiöses Wissen oder ein gewisses religiöses Verständnis aneignen? In einer Diskussion jüngst in Jakarta, in der es um religiösen Pluralismus ging, wurde eine religiöse Einstellung auch als das "Tolerieren des Intoleranten" formuliert. Finden Sie nicht, dass Sie bei der Antwort auf die Protestaktion in einer solchen Situation sind?
Supangkat: Ich denke, allein Ihre Frage ist schon eine akkurate Analyse.
(Das Interview fand am 12. Oktober 2005 statt.)
Anmerkung:
Hendro Wiyanto
Unabhängiger Kurator und Kunstkritiker, Jakarta, Indonesien.
Chefkurator: Jim Supangkat
Ko-Kuratoren:
Asmudjo Jono Irianto, Rizki A.Zaelani, Marco Kusumawijaya
Gastkurator: Shin Yi Yang
CP Open Biennale 2005
Jakarta, Indonesien
6. September - 5. Oktober 2005
Museum of Bank Indonesia
Jalan Pintu Besar Utara No. 3
Jakarta 11110
Veranstalter: