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Das Bandung Center for New Media Arts, Indonesien, und das Dritte Asien-Europa Kunst-Camp, 2005.
Von Marie Le Sourd | Nov 2005Das Bandung Center for New Media Arts (BCNMA) wurde 2001 von den Künstlern Gustaff H. Iskandar und R.E. Hartanto sowie dem Architekten T. Ismail Reza gegründet, um verschiedene Bereiche des Alltagslebens in die indonesische Kunst einzubringen, den Dialog mit Kreisen außerhalb der Kunst zu fördern und um experimentellen Ausdrucksformen bessere Aktionsmöglichkeiten zu bieten.
Die Einrichtung des BCNMA und seine Entwicklung haben sehr viel mit der Ära in Indonesien zu tun, die auf das Militärregime von Suharto (1966 - 1998) folgte. Gustaff erklärte: " Nach 1998 standen wir allen Regierungsinstitutionen sowie den existierenden kulturellen Organisationen und den etablierten Kunstpraktiken skeptisch gegenüber. Das bezieht sich auch auf althergebrachte künstlerische Aktivitäten, die dazu benutzt wurden, vermittels der Signatur Macht im Sinne von Autorenschaft zu akkumulieren. Das war Kunst der Kunst wegen. Diese mag ja nicht unbedingt verkehrt sein, aber wir hatten das Gefühl, dass wir einen alternativen Ansatz brauchen. (...) Eine solche hierarchische Struktur passt überhaupt nicht zu den kulturellen Praktiken unserer Zeit: heutzutage können wir überall und mit jedwedem kommunizieren. Jeder kann ein Zentrum sein und mit anderen in Beziehung stehen. Wir müssen die Macht und die Information und das Recht auf Autorenschaft verteilen, um den Diskurs zu befreien und die Macht zirkulieren zu lassen."
Auf ein Crossover von Kunst, Wissenschaft und Technologie fokussiert, versucht das BCNMA Personen und Institutionen aus verschiedenen Bereichen zusammenzubringen, um neuen Ideen Gestalt zu verleihen, Diskussionen anzuregen sowie um zu experimentieren und in neuen Konstellationen zu kooperieren. Gustaff zufolge ist "der Begriff 'Neue Medien' sehr weit gefasst und muss immer im spezifischen Kontext verstanden werden. Im Kontext der indonesischen Kunstpraxis muss man berücksichtigen, wie wir die Entwicklung der Informationstechnologien erlebt haben und wie diese unseren Alltag verändert haben. Zum Beispiel wäre es während der Studentenbewegung in Indonesien ohne Internet, Mobiltelefone, Fax usw. unmöglich gewesen, Informationen zu verbreiten und das Netzwerk zu entwickeln, das die Bewegung unterstützt hat. (...) Die Geschwindigkeit ist verblüffend und die Verbindungsmöglichkeiten sind beinahe unheimlich, weil es sich dabei um eine andere Form von Macht und Kontrolle handelt. Deswegen sind die politischen und sozialen Aspekte solcher Technologien stark, und wir können sie nicht von unserem täglichen Leben trennen, ebensowenig von den zeitgenössischen Kunstpraktiken".
Das Bemühen, verschiedene Publikumsgruppen zu erreichen und mit ihnen zu kooperieren, begann mit einer privaten Initiative und Struktur. Das BCNMA befindet sich im Haus eines der Mitglieder, Reina Wulansari, in einer ruhigen Wohngegend von Bandung, das etwa zwei Stunden Autofahrt von der Hauptstadt Jakarta entfernt ist. Zu den Einrichtungen gehören ein 2003 eröffneter Buchladen, Tobucil genannt, der die Alphabetisierung unterstützt, eine Bibliothek, ein Gästezimmer, die Computerwerkstatt, ein Atelier. Im August 2003 haben das BCNMA und der Buchladen beschlossen, sich eine Garage zu teilen und diese unter dem Namen "Common Room" (Gemeinsamer Raum) für Ausstellungen, Workshops, kleinere Konzerte, Lesungen, Aufenthaltsprogramme etc. zu nutzen. Es werden Projekte in den Bereichen visuelle Künste, Architektur, Musik, Mode, Literatur und urbane Kultur realisiert. So fand im März 2005 "Class’ 95" statt, eine Veranstaltung, bei der Indie-Pop Jugendkultur vorgestellt wurde, die sich in Bandung seit 1995 entwickelt hat. In dieser Zeit entstand ein spezieller Stil, hervorgebracht von unabhängigen Labels und Bands, die den aktuellen Trends der Pop-Musik, des Grafikdesigns und der Videoclips verbunden sind. Gezeigt wurden Poster, Fotografien und T-Shirts, und am Eröffnungsabend spielten Bands, was eine Menge Leute aus Bandung, aber auch aus Yogyakarta, Bali und Jakarta anzog.
In diesem spezifischen soziopolitischen Kontext ist Verhandlung einer der Schlüsselbegriffe, die die Arbeit des "Common Room" bestimmen, um so viele Gruppen von Menschen wie möglich einzubeziehen und um bis zu einem gewissen Grad dazu beizutragen, dass ein Sinn für die Zivilgesellschaft entsteht. Gustaff betont, das BCNMA und der Buchladen Tobucil würden nicht allein über die Gestaltung des Programms entscheiden, sondern das Publikum solle sich daran beteiligen und alle Partner würden sich über die Vorschläge verständigen, bis ein Konsens erreicht sei: "Die vorgeschlagenen Projekte müssen billig sein, weil wir keine finanzielle Unterstützung bekommen, alle Seiten müssen etwas davon haben, sie müssen leicht durchzuführen sein, Spaß machen und die Beteiligung des Publikums erlauben."
Ebenso geht es um Nachhaltigkeit, die nur durch die Verbindung mit der lokalen Szene zustande kommen kann, weil eine Langfristigkeit ohne solche Allianzen und Partner wahrscheinlich nicht möglich wäre. Das machen die Flyer des "Common Room" deutlich, auf denen auch die Partner erscheinen, vom Kunstraum Selasar Sunaryo bis zu solchen unabhängigen Künstlergruppen wie Jendela Ide, Bio Sampler, Video Babes etc.
Nachhaltigkeit ist natürlich auch eine finanzielle Frage. Dazu Gustaff: "Common Room finanziert sich überwiegend selbst durch den Buchverkauf und Eigenleistungen, und dabei hilft außerordentlich, dass wir in Reina Wulansari eine sehr gute Finanzverwalterin haben. Für einige Projekte erhalten wir jetzt finanzielle Unterstützung von ausländischen Institutionen, wie HIVOS oder ASEF. Derartige Mittel bekommen wir aber nur gelegentlich und nur für bestimmte Projekte. Es gäbe wohl auch Möglichkeiten institutioneller Förderung, aber das müsste auf der Basis der Gleichberechtigung geschehen, damit wir unsere eigenen Ideale und Perspektiven aufrechterhalten können."
Wenngleich die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen auf zeitlich begrenzte Projekte bezogen ist, so bringt sie doch langfristigen Nutzen, etwa im Sinne der Anerkennung am Ort selbst und der globalen Vernetzung, so wie das beim 3. Asien-Europa Kunst-Camp der Fall ist. Es wurde vom 4. bis 8. August 2005 vom BCNMA gemeinsam mit der Asien-Europa Stiftung (ASEF) veranstaltet und war auf die Kunstpraxis mit neuen Medien und auf Künstlerinitiativen fokussiert. Daran nahmen 20 Kunststudenten und 8 Dozenten aus Asien und Europa teil.
Die jährlichen Kunst-Camps wurden 2003 von ASEF initiiert und umfassen Vorträge, Workshops, Diskussionsrunden und auf Besuche kultureller Einrichtungen. Sie sollen ausgewählten Teilnehmern eine Plattform für den Austausch von Informationen und Erfahrungen sowie für die Kontextualisierung zeitgenössischer Kunstpraktiken bieten. Sie sind weniger auf ein künstlerisches Produkt ausgerichtet als vielmehr auf den kreativen Prozess selbst, auf die Aneignung von Wissen über verschiedene Kulturen und auf die Erweiterung der geistigen Horizonte der Teilnehmer, die dabei für künftige Kooperationen und internationalen Austausch nützliche Kontakte und Informationen erhalten.
In diesem Jahr in Bandung nahmen die Studenten an einem längerfristigen Projekt mit dem Titel "36 Rahmen" teil, das vom BCNMA schon 2004 in Bandung und in Helsinki (Finnland) initiiert wurde. Dabei bekommen Personen (das allgemeine Publikum und/oder Studenten) eine Wegwerfkamera, um Aufnahmen zu einem bestimmten Thema zu machen, in diesem Falle "Bandung: urbaner Raum", und diese auf einer größeren Tafel zu arrangieren. Den Veranstaltern ging es vor allem darum, die Teilnehmer zur Zusammenarbeit und zur Vermittlung einer eigenen Sicht auf Bandung anzuregen.
Obwohl die Beteiligten die Bedeutung der Arbeit an einem gemeinsamen Projekt anerkannten, äußerten einige von ihnen doch Enttäuschung über die Beschränkungen des Mediums und der Vorgaben. In ihrem abschließenden Feedback meinten einige Studenten auch, dass die Beispiele von Kunst mit neuen Medien in Indonesien, die ihnen während der Vorträge und der Besuche in anderen Einrichtungen präsentiert worden waren, zu sehr auf Fotografie und Video beschränkt blieben. Aber hat das nicht auch mit der Entwicklung der neuen Technologien und der Kunst im besonderen Kontext Indonesiens zu tun? Wie steht es um den Diskurs dahinter und um die Nutzung einfacher Technologien als Gegenreaktion auf die anscheinend homogene Verbreitung von HighTech über die ganze Welt? Es sei erwähnt, dass der Tenor der Kommentare beim Kunst-Camp 2004 in Tokyo, fokussiert auf Kunst und neue Technologien, ganz im Gegenteil der war, es sei zu viel um Technologie gegangen, ohne genügend über deren Nutzung für die Vermittlung einer Botschaft und für kritische Äußerungen zu reflektieren. Andere Kontexte, andere Erwartungen...
Aber trotz der "normalen" Reaktionen von Menschen, die beginnen, mehr vom Kontext und der Entwicklung der Kunstpraktiken anderer zu entdecken, und trotz eventuell nicht erfüllter Erwartungen, äußerten sich alle Teilnehmer überaus positiv über ihre Erfahrungen in diesem Kunst-Camp und fanden es gut, dass dessen Programm mit den Aktivitäten des BCNMA und dessen lokalem Netzwerk verknüpft war. Es ist sehr ermutigend, wenn man sieht, wie lebendig die Synergien und der Austausch selbst Monate nach dem 3. Asien-Europa Kunst-Camp noch ist, was u.a. an der Mailingliste und an einigen Vorschlägen für neue Projekte zu erkennen ist. Einige beteiligte Studenten und Dozenten trafen sich inzwischen in Istanbul, Singapur, Budapest, Kuala Lumpur, Kopenhagen. Lotte Meijer aus den Niederlanden meinte: "Plötzlich fühle ich mich als Teil einer großen, verrückten internationalen Gemeinschaft."
Für das BCNMA war das Camp eine gute Gelegenheit, sein Netzwerk und seine Anerkennung in der lokalen Szene zu stärken und internationale Kontakte für künftige Projekte zu knüpfen. Gustaff fasste das in seinem abschließenden Kommentar im Kontext der indonesischen Geschichte zusammen: "Wir haben viel dazugelernt und neues Vertrauen in uns selbst gewonnen, weil wir sehen, dass wir international arbeiten können, und diese Begeisterung gibt uns viel Energie weiterzumachen, weil viele unserer Freunde und Partner am Ort bereit waren, das Camp zu unterstützen. (...) Dank dieser Erfahrung haben wir eine bessere Verhandlungsposition (...) Wir müssen auch in die Zukunft schauen und gegebenenfalls mit der Regierung zusammenarbeiten, solange das gleichberechtigt geschieht. Das müssen wir als Prozess sehen. Täglich sind wir in einem andauernden Prozess des Werdens. Auch hinsichtlich unserer Nation sind wir nach 60 Jahren Unabhängigkeit immer noch dabei, Indonesien zu werden."
Marie Le Sourd
2006 - 2011 Leiterin des französischen Kulturzentrums in Yogyakarta. Davor war sie 7 Jahre lang in der Asia-Europe Foundation für das kulturelle Austauschprogramm zuständig.
Gründer, Leitung:
Gustaff H. Iskandar, R.E. Hartanto, T. Ismail Reza
Mitglieder, Aufgaben:
Gustaff H. Iskandar, Direktor
R.E. Hartanto, Programmdirektor
Reina Wulansari, Finanzen
Tarlen Handayani, Buchladen Tobucil / Öffentlichkeitsarbeit