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Sharjah, kulturelles Zentrum der VAE. Hisham Al Madhloum über die von ihm geleitete Institution.
Von Pat Binder & Gerhard Haupt | Jul 2004Sharjah ist das drittgrößte der sieben Vereinigten Arabischen Emirate [1]. Während sich in der Hauptstadt Abu Dhabi das politische Leben konzentriert und das glamouröse Dubai der wichtigste Handelsplatz ist, gilt Sharjah als kulturelles Zentrum der Föderation. Seit 1993 findet dort eine internationale Kunstbiennale statt, über deren 6. Edition (April/Mai 2003) wir in Universes in Universe ausführlich berichteten. 1998 war Sharjah UNESCO-Kulturhauptstadt der Arabischen Welt.
Bei unserem zweiten Besuch in Sharjah im April 2004 trafen wir den Leiter des Direktorats für Kunst, Hisham Al Madhloum. Vom Kunstmuseum, wo wir uns verabredet hatten, gingen wir mit ihm auf einen nahe gelegenen, von Galerien und künstlerischen Werkstätten umsäumten Hof in der "Art Area", einem Komplex von Gebäuden im traditionellen Baustil, der auf einer Seite von modernen Hochhäusern und auf der anderen von der Corniche, der Uferstraße, begrenzt wird. In einem langen Interview erläuterte uns Hisham Al Madhloum die Arbeit der Kunstverwaltung des Emirats sowie die Profile und Aktivitäten der vielen nachgeordneten Institutionen.
Zuallererst betonte er, Sharjah verdanke seinen Rang als Kulturhauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate und eines der wichtigsten kulturellen Zentren der arabischen Welt dem persönlichen Engagement des Herrschers, H.H. Dr. Sheikh Sultan bin Mohammed Al Qasimi, der Doktor der Geschichte und der Geographie ist. Vor allem seit den 1990er Jahren verfolgt dieser ein umfassendes Konzept der Entwicklung der Kultur und des Bildungswesens. Dazu gehört der Aufbau mehrerer Universitäten, die Restaurierung und Rekonstruktion alter Bauten und Stadtteile, die Gründung von Museen und anderen Kultureinrichtungen, die Etablierung regelmäßiger Ausstellungen und Veranstaltungen, die Stiftung von Preisen - wie des seit 1998 von der UNESCO verliehenen "Sharjah Prize for Arab Culture" [2] - und vieles mehr.
Hisham Al Madhloum erklärte uns die Struktur der Kulturadministration. Dem föderalen Aufbau des Landes entsprechend, ist in Abu Dhabi der Sitz eines zentralen Ministeriums für Information und Kultur, und in jedem Emirat gibt es analoge Einrichtungen der lokalen Regierungen. In Sharjah ist dies die Abteilung für Kultur und Information, die sich in sieben Direktorate untergliedert, darunter die für Archäologie, Erbe, Bibliotheken und das von ihm selbst geleitete Direktorat für Kunst, womit die schönen Künste gemeint sind.
In Sharjah findet die Rückbesinnung auf die kulturelle Herkunft mit besonderer Konsequenz statt. Im Zentrum der Stadt sind einige Gebiete im Stil der alten Architektur, unter Einbeziehung der Reste ursprünglicher Bausubstanz, rekonstruiert worden. Das größte davon ist die "Heritage Area" (Erbe-Viertel), ein weiteres die "Art Area". Letztere entstand in den Jahren 1993 bis 1997 im Viertel Al Shuwaihiyeen und beherbergt Einrichtungen der bildenden Künste (siehe die Liste mit näheren Angaben zu den einzelnen Institutionen).
Das Kunstviertel wird vom Sharjah Art Museum dominiert, einem kompakten Baukörper mit Zinnen und den prägnanten Windtürmen, die hier ein historisierendes Zierelement ohne die eigentlich kühlende Funktion sind. Nachdem das Museum 1995 eröffnet wurde, erhielt es in den darauffolgenden zwei Jahren einen Erweiterungsbau, in dem das Sharjah Museum for Contemporary Arab Art untergebracht ist, so dass es jetzt eine nutzbare Fläche von 111.000 Quadratmetern umfasst. Alle zwei Jahre ist es der Hauptausstellungsort der internationalen Biennale zeitgenössischer Kunst.
Alle, mit denen wir während unserer Reise in drei Länder am Persischen Golf (siehe Editorial) darüber sprachen, waren sich darin einig, dass die letzte Edition ein besonderer Höhepunkt in der Geschichte der Sharjah Biennale war. Die Veranstalter seien ihrem erklärten Ziel sehr nahe gekommen, neue Kunstpraktiken aus der Golfregion und dem arabischen Raum in den Kontext des globalen Kunstgeschehens zu stellen. Wer möchte, kann sich davon in unserem mit vielen Fotos ausgestatteten Rundgang selbst überzeugen. Wir zeigen darin Werke von 71 der insgesamt 117 Teilnehmer. Geleitet und konzipiert wurde die 6. Sharjah Biennale von Hoor Al Qasimi, der Tochter des Herrschers von Sharjah, und dem englischen Kurator Peter Lewis. Hisham Al Madhloum bestätigte uns, dass die Ausrichtung der letzten Biennale mit der 7. Edition im April 2005 weiterverfolgt werden soll.
Im Mai 2004 fand erstmals eine Internationale Sharjah Biennale für Arabische Kalligraphie statt, die künftig alternierend mit der Biennale zeitgenössischer Kunst veranstaltet werden soll. Der Ausstellungsort ist das Sharjah Museum für die Kunst der Arabischen Kalligraphie und Ornamentik am 2002 eingeweihten Arabic Calligraphy Square. In einer Sektion für klassische, einer für zeitgenössische und einer für experimentelle Kalligraphie, wo diese Kunstform u.a. in Verbindung mit Videos, Installationen und Keramik erscheint, waren in diesem Jahr 490 Arbeiten von 27 Künstlern zu sehen.
Hisham Al Madhloum legte in unserem Gespräch großen Wert auf den internationalen Kunst- und Kulturaustausch, den das Emirat über die regelmäßigen Veranstaltungen hinaus pflegt. Als Beispiele nannte er die seit Jahren andauernden Kooperationen mit Partnern in Dänemark, Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden sowie den 2003 begonnenen Austausch mit Spanien. Al Madhloum sagte, durch die Künste könnten sich Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt miteinander verständigen und etwas über die Identität des anderen erfahren. Deshalb seien neben der wechselseitigen Entsendung von Ausstellungen und der Zusammenarbeit mit Sammlungen und Institutionen die persönlichen Begegnungen besonders wichtig.
Anmerkungen:
Pat Binder & Gerhard Haupt
Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunst. Leben in Berlin.