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Biennale Zeitgenössischer Afrikanischer Kunst in Dakar. Offizielle Ausstellungen und paralleles Programm.
Von Iolanda Pensa | Mai 2004Die internationale Ausstellung
Obwohl die Dakar Biennale kein kuratoriales Konzept hat, wies die diesjährige internationale Ausstellung eine unbeabsichtigte Kohärenz auf. "Ich sehe so viel Leid: die Künstler scheinen sich auf Schmerz und Einsamkeit zu konzentrieren", bemerkte Marilyn Douala Bell, Mitbegründerin des Doual’Art Centre in Kamerun.
Im Video Wahid von Younès Rahmoun (* 1975, Marokko) scheinen zwei Hände unfähig zu sein, zu beten, zu meditieren oder zu zählen, während eine Stimme fortwährend das Wort "wahid" wiederholt, das in Arabisch "Eins" und auch "Gott" bedeutet.
In ihrer Videoinstallation und Performance The Room zeigen Amal El Kenawy und Abd El Ghany El Kenawy (* 1974 und 1965, Ägypten) in einem Raum, der so kalt wie Toilettenfliesen ist, Schmerz und beobachten dessen Privatheit, Innerlichkeit und Härte.
Die ägyptische Künstlerin Maha Maamoon (* 1972, Gewinnerin des Preises für Fotografie der diesjährigen Biennale) transformiert in ihrem Werk CairoScapes das gigantische Chaos der Stadt in einsame, ruhige, horizontale, blühende Landschaften.
Train Train Médina von Mohamadou Ndoye Douts (* 1973, Senegal) bildet in einem Animationsfilm die chaotische Quirligkeit in einem alten Viertel von Dakar nach, das solange wächst, bis es zu Staub zerfällt.
Im Video We are Afraid, das der südafrikanische Künstler Thando Mama (* 1977, Gewinner des belgischen Community-Preises) am Ende eines dunklen Tunnels plaziert hatte, erscheint und verschwindet das Gesicht eines Mannes, während verwirrte Stimmen laufend "wir haben Angst" wiederholen.
Die Videoprojektion Idler’s Logic (Die Logik des Faulpelzes) von Khaled Hafez (* 1963, Gewinner des Preises der Francophonie) ist wie ein mit Collagen, Geräten, Zitaten, Farben und Gewaltbildern gefülltes Bühnenbild.
Michèle Magema (* 1977, Frankreich/Kongo, ausgezeichnet mit dem Preis des Präsidenten) zeigte das Video Oye Oye, auf dem sie marschiert, gegenüber einer weiteren Videoarbeit mit historischen Aufnahmen aus der Zeit der Diktatur in Zaïre, als Präsident Mobutu den Mythos des "authentischen Afrika" propagierte.
Andere offizielle Ausstellungen
Unter den zahlreichen offiziellen Veranstaltungen war die Ausstellung mit afrikanischem Fokus die interessanteste. Der Kurator Yacouba Konaté versammelte in der Nationalgalerie Arbeiten von drei Bildhauern verschiedener Generationen: Christian Lattier (1925-1978, Elfenbeinküste), Joseph Francis Sumégné (* 1951, Kamerun) und Tapfuma Gutsa (* 1959, Zimbabwe). Die Schau präsentierte eine neue Sicht der zeitgenössischen afrikanischen Kunst, tiefer und reflektierter: sie förderte die Disziplin der Skulptur (in den letzten Jahren weitgehend unterschätzt), stellte wichtige Protagonisten vor und bemühte sich um eine historische Perspektive.
Der Kurator Hans Ulrich Obrist repräsentierte "die Welt" in den faszinierenden, aber aufdringlichen Räumen des früheren Justizpalastes, einem verlassenen - weil instabilen - Gebäude. Zwischen Stühlen, Tischen, alten Dokumenten und Staub schuf er zwei Inseln der Präsentation: ein Kino und einen Videoraum, beide ausgelegt mit farbigen Kissen und Teppichen, gestaltet vom Künstler Rirkrit Tiravanija. Dank der gut transportablen DVD-Technologie wurden Videos von bekannten internationalen Künstlern gezeigt, die sich mit der Beziehung zwischen Kunst und Raum beschäftigen.
Das Off
Die diesjährige Dakar Biennale bot 131 "Off"-Events, viel zu viele, um eine hohe Qualität aller zu gewährleisten. Die wichtigsten waren:
3X3, offiziellen Beteiligung der USA bei der Dak’Art 2004
Organisiert von Salah Hassan und Cheryl Finley. Diese Ausstellung war mehr als nur eine parallele Veranstaltung, denn sie konkurrierte mit der Biennale selbst: sie hatte ein lebendiges Programm, ein riesiges Budget und ein Publikum aus berühmten Sammlern, Kunstkritikern und internationalen Kuratoren. Die Ausstellung wurde als die offizielle Beteiligung der USA bei einer Biennale präsentiert, bei der es normalerweise keine nationalen Beiträge gibt. 3X3 zeigte drei finanziell gut ausgestattete, für den spezifischen Ort konzipierte und sorgfältig installierte Werke von David Hammons, Pamela Z. und Maria Magdalena Campos-Pons.
David Hammons organisierte an einer Straßenecke eine Gratistombola. Eine Woche lang, täglich um 16:00 Uhr, beglückwünschten fröhliche Animateure auf einer gelben und roten "Maggi"-Bühne die Gewinner von zwei Schafen. Mit dem Werk sollte jenen Leuten etwas gegeben werden, die normalerweise nichts von der Kunst zu erwarten haben. Hammons versuchte damit, die konventionelle Logik der Kunstwelt hinter sich zu lassen, endete aber - wahrscheinlich ohne es zu merken - in der üblichen Marktlogik: wenig Gewinner, viele Verlierer - also die Sponsoring- und humanitäre Dynamik des multinationalen Maggi-Nestlé Konzerns.
Pamela Z präsentierte eine Performance im Sorrano Theater und installierte in der Maison des Esclaves auf der Insel Gorée ihre Toninstallation Just Dust. Letztere bezieht sich auf die erste Afrikareise der afroamerikanischen Künstlerin, indem sie trivialen Gedanken durch eine tiefe, evokative Klangwelt eine Stimme verleiht. Naive Verwunderung und der schreckliche Wunsch, dem Andenken Gestalt zu geben, sind in der schmerzhaften Unfähigkeit, einen Ort zu besitzen, spürbar.
Maria Magdalena Campos-Pons bot mehr als nur eine interessante Arbeit: sie hatte einen erstaunlich schönen und gut gestalteten Ausstellungsraum im CACAO Kunstzentrum, das sich einem alten, vollkommen renovierten Industriegebäude befindet. Beeindruckend war die Begeisterung der Studenten der Kunstakademie, die mit der Künstlerin zusammenarbeiteten.
Gént
Präsentiert von der Künstlerassoziation Man-Keneen-Ki. Gént (Traum) war eine Ausstellung mehrerer Installationen in einem Innenhof. Die Route folgte einem kreisförmigen Pfad, an dem entlang von Straßenkindern produzierte Werke plaziert waren: Schwarzweiß- oder Farbfotos, kleine Installationen und Videos. Der Weg endete in einem mit trockenen Blättern bedeckten Innenraum, in dem ein Kind auf einem Bett schlief.
Man-Keneen-Ki benutzt Kunst und Szenografie, um etwas Schönes über das Elend und den Schmerz zu schaffen und um Kreativität als Ausdrucksform zu fördern. Das ist eine faszinierende Idee, aber obwohl Gént einer der interessantesten Off-Beiträge der diesjährigen Dak'Art war, blieb die Arbeit weit hinter dem eindrucksvollen, subtilen und eleganten Les Enfants de la Nuit derselben Organisation im Jahr 2000 zurück.
Voces del noroeste
Ausstellung einer Gruppe von Künstlern der Kanarischen Inseln, organisiert von Orlando Britto Jinorio. Zu den in einem Appartement ausgestellten Arbeiten gehörte eine von José Ruiz: eine mit hängenden Kondomen bedeckte Wand - ein Kondom für jedes Land der Welt.
Seminar für neue autonome Kunstzentren auf dem afrikanischen Kontinent
Organisiert vom internationalen Netzwerk Artfactories und vom Multimedia-Kunstzentrum Kër Thiossane.
Schlußfolgerung
... und während das internationale Auswahlkomitee und die Jury über Kunst, Geschlechterfragen, künstlerische Auseinandersetzungen mit dem urbanen und globalen Gleichgewicht, über die Bedeutung der Förderung neuer Technologien, über die neue, bemerkenswerte ägyptische Beteiligung sprachen ... erörterte der Rest in Dakar weiterhin - wie bei jeder Biennale - die schreckliche Organisation, das Fehlen von Kunstwerken und Katalogen, die unerwarteten Programmänderungen, Zweifel an der Zukunft der Dak’Art, die Art der Auswahl von Kunstwerken...
Übrigens:
Möchten Sie an der nächsten Biennale von Dakar teilnehmen? Bewerben Sie sich!
Sie brauchen nur den Pass eines afrikanischen Landes, um in die Auswahl zu kommen. Warten Sie auf die offizielle Ausschreibung (www.dakart.org), schicken Sie ihre Bewerbung und werden auch Sie zu einem zeitgenössischen Künstler. Sie sind umgezogen? Naja, Sie können immer noch als Künstler der Diaspora gelten.
Iolanda Pensa
Freischaffende Kritikerin und Autorin in Mailand, Italien. Sie veröffentlichte u.a. in Flash Art, Tema Celeste, Nigrizia, Africa, Gulliver, Africa e Mediterraneo.
DakArt 2004
10. Mai - 10. Juni
Dakar, Senegal
Veranstalter: