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Marokkos Außenminister über das von ihm und Mohammed Melehi 1978 gegründete Festival.
Von Pat Binder & Gerhard Haupt | Jun 2004Mohammed Melehi (links) und Mohammed Benaïssa
© Foto: Haupt & Binder, universes.art
Mohammed Benaïssa und Mohammed Melehi initiierten 1978 das Kulturfestival in der marokkanischen Stadt Asilah (bzw. Assilah [1]), das im April 2004 in Bahrain als "Bahrain - Asilah Arts & Culture Forum" adaptiert wurde (siehe den Artikel in diesem Magazin [2]). Dort erzählte uns zunächst Melehi einiges über das Festival in Marokko. Er wollte uns auch Benaïssa vorstellen, der u.a. Bürgermeister von Asilah war und seit 1999 Außenminister Marokkos ist. Allerdings gab es kaum Aussicht auf einen Interviewtermin, denn Benaïssa kam erst am Tag unserer Abreise an. Zufällig begegneten wir ihm gleich nach seiner Ankunft im Hotel beim Frühstück. Obwohl vom Nachtflug müde, erklärte er sich bereit, uns sofort einige Fragen zu beantworten.
Besonders interessierte uns die mit dem Asilah-Festival verbundene Intention, die Situation einer Stadt bzw. eines Gemeinwesens durch Kunst und Kultur substantiell zu verbessern und nicht nur kosmetisch zu übertünchen. Um die Veränderungen deutlich zu machen, schilderte uns Mohammed Benaïssa den Zustand der Stadt in den 1970er Jahren: "... es war eine Schande, jede Menge Müll, die Kanalisation war eine Katastrophe, eingestürzte Mauern, kein Strom..." Zusammen mit Melehi habe er darüber nachgedacht, wie eine Entwicklung zum Besseren in Gang zu bringen und der Bevölkerung bewusst zu machen sei, wie sie zur Erhöhung ihrer eigenen Lebensqualität beitragen könnte.
Als sie 1978 elf marokkanische Maler einluden, in den Straßen von Asilah Wandbilder zu malen, waren die Einwohner nicht gerade begeistert. "Zuerst nahm uns niemand ernst, aber wir verbreiteten den Slogan: Kultur und Kunst für die Entwicklung." Benaïssa und Melehi wollten den Leuten klarmachen, dass die Maler gekommen waren, weil sie Asilah für eine schöne Stadt hielten, es aber großer gemeinsamer Anstrengungen bedürfe, diese tatsächlich schön und lebenswert zu machen. Dazu gehöre als erstes, sie sauber zu halten. Nach und nach wurde die Infrastruktur in Ordnung gebracht. Historische Gebäude sind restauriert worden, und für das Festival entstanden neue Kulturzentren, wie z.B. der Kulturpalast und das Hassan II. Zentrum für Internationale Begegnungen. Im Sommer 2004 wird die Prinz-Bandar-Bibliothek eröffnet, für ein Kunstmuseum werden derzeit die Mittel gesammelt.
Mohammed Benaïssa sagte uns, die anfängliche Skepsis sei auch deshalb so schnell vergangen, weil die Bewohner von Asilah bald schon am Festival verdienten, u.a. durch Quartiere für die Gäste und kleine Läden. "Es ist eine neue Generation derjenigen herangewachsen, die beim Start des Festivals Kinder waren und jetzt Mitte oder Ende dreißig sind. Diese Generation hat die Augen geöffnet und ist durch Kunst beeinflusst worden - als einem Medium, um das Leben zu genießen und auch um die Ressourcen der Imagination und Kreativität zu mobilisieren, weil man ohne Imagination, ohne Kreativität, ohne eine klare Vision keine nachhaltige Entwicklung zustande bringt, egal wie viel Geld man haben mag." Benaïssa fügte hinzu: "Mit Kunst kann man die Armut nicht beenden, aber man kann das Elend überwinden."
Für die Erhaltung und Instandsetzung der Altstadt von Asilah und dafür, wie die Kultur genutzt werden kann, um das Verhalten der Menschen und ihr Engagement für eine Verbesserung der Lebensqualität positiv zu beeinflussen, haben Mohammed Benaïssa und Mohammed Melehi als Repräsentanten der von ihnen gegründeten Al-Mouhit Cultural Association 1990 den "Aga Khan Preis für Architektur" erhalten.
Von Anfang an sollte das Asilah-Festival ein Ort des Dialogs der Kulturen sein. Mohammed Benaïssa erinnerte sich im Gespräch mit uns daran, dass es zufälligerweise auch in einem Hotel in Bahrain war, als er so um 1978/79 erstmals seine Gedanken zu diesem Thema aufschrieb. Damals sei Kunst aus dem "Süden" im "Norden" nicht anerkannt und nicht einmal bekannt gewesen. Benaïssa meinte, es gab eine Einbahnstraße in Richtung Norden, auf der Künstler und Intellektuelle in der Hoffnung, endlich international wahrgenommen zu werden, ihre Länder verließen. Mit dem Asilah-Festival wollte er dazu beitragen, dass eine Gegenfahrbahn entsteht. Deshalb wurden Künstler aus der ganzen Welt nach Asilah eingeladen, um dort zusammenzuarbeiten. "Asilah ist, und ich bin sehr stolz, das sagen zu können," unterstrich Benaïssa, "seit über 25 Jahren eine wichtige Plattform für den Dialog mit allen Kulturen, aus Lateinamerika, Afrika, Europa, Asien, Nordamerika."
Mohammed Benaïssa, biographische Angaben:
Geb. 1937 in Asilah. Studierte Kommunikation an der Universität von Minnesota, USA. Ab 1964 Presseattaché an diplomatischen Vertretungen Marokkos in mehreren Ländern. 1976-83 Mitglied des Stadtrats von Asilah. 1978 zusammen mit M. Melehi Gründung des Asilah Festivals, ab 1983 Bürgermeister von Asilah. 1985-1992 Kulturminister des Königreichs Marokko, 1993-99 Botschafter in den USA, seit 1999 Minister für Auswärtige Angelegenheiten und Kooperation.
Anmerkungen:
Pat Binder & Gerhard Haupt
Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunst. Leben in Berlin.
Asilah Festival
Marokko
Findet seit 1978 jährlich statt, gegründet von Mohammed Benaïssa und Mohammed Melehi, organisiert von der Al-Mouhit Cultural Association.
Veranstaltungen, u.a.: Wandmalerei im urbanen Raum; Workshops für Grafik, Keramik und Malerei - auch für Kinder; Konferenzen; Konzerte; Theater- und andere Aufführungen.
Veranstalter: