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Zeitschrift und Online-Magazin für zeitgenössische Kunst im Iran. Interview mit der Herausgeberin.
Von Pat Binder & Gerhard Haupt | Mär 2003Diese Publikation im Zeichen der Pfauenfeder ist eine Fundgrube für alle, die sich für iranische Kunst interessieren. Hinter einem solchen Logo mag man eine eher traditionelle Orientierung erwarten, doch insbesondere in der Online-Ausgabe geht es in erster Linie um Installationen, Performances, Videoarbeiten, Land Art und sonstige experimentelle Praktiken in der Kunstszene des Iran und der iranischen Diaspora.
Tavoos ist das persische Wort für den Pfau, ein kulturübergreifendes Symbol für Paradies, Wiedergeburt, die Reinheit und Unsterblichkeit der Seele. Die Herausgeber wählten diesen Namen, weil sie im Farbenspektum der Pfauenfedern ein Sinnbild für die kaleidoskopische Vielfalt der Kunst des Iran sehen.
Tavoos Quarterly ist als vierteljährlich erscheinende Zeitschrift in Persisch und Englisch angelegt, die alle Bereiche der visuellen Künste erfasst, aber auch Beiträge zu Musik, Theater, Film und Architektur enthält. Bislang sind vier Ausgaben veröffentlicht worden, 2 davon als Doppelnummern (im Zeitraum 1999 - 2001). Obwohl das Material für weitere 6 Nummern fertig vorliegt, konnten diese wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht in Druck gehen.
Glücklicherweise wird Tavoos Online, die englische Website zur Zeitschrift mit einem dazugehörigen Newsletter, weiterhin herausgegeben und etwa alle 2 Monate mit Informationen über die Kunst des Iran und deren Präsenz in anderen Teilen der Welt aktualisiert.
Manijeh Mir-'Emadi über Tavoos
Email-Interview mit der Herausgeberin und Direktorin von Iranian Art Publishing, Tavoos Quarterly und Tavoos Online
Haupt & Binder: Wie entstand Tavoos Online?
Frau Manijeh Mir-'Emadi: Das internationalen Standards entsprechende Kunstmagazin Tavoos Quarterly wird seit 1999 von Iranian Art Publishing veröffentlicht. Iranian Art Publishing existiert seit 1992 als Verlag für zeitgenössische iranische Kunst, einschließlich zweisprachiger Bücher über bekannte Künstler. Zu Tavoos Quarterly gehört von Anfang an eine Website, durch die das Magazin und das Verlagsprogramm international bekannt gemacht wurden. Ein Jahr nach dem Start der Zeitschrift beschloss ich, die Herausgabe von Tavoos Online in Angriff zu nehmen, mit einer unabhängigen Sektion als Online-Magazin. Dr. Ahmad Nadalian, Künstler und Kunstprofessor im Iran, hatte schon Erfahrungen mit dem Internet und dem Versand eines Newsletters. Er war damit einverstanden, die Leitung von Tavoos Online zu übernehmen. Das erfahrene und künstlerisch qualifizierte Team von Tavoos Quarterly ist jetzt auch für die Netzversion zuständig und schreibt die Beiträge.
H&B: An welche Zielgruppen richtet sich Tavoos Online?
Mir-'Emadi: In den ersten Jahren der Arbeit im Verlag und später mit der Zeitschrift wurde mir klar, wie wenig die meisten Leute aus dem Kunstbereich in aller Welt und die Iraner im Ausland über zeitgenössische iranische Kunst wissen. Als wir die Website starteten, wollten wir nicht eine spezifische Zielgruppe ansprechen, sondern die Welt überhaupt über die aktuelle Situation der iranischen Kunst informieren. Doch dann wurde uns bewusst, dass wir tatsächlich eine bestimmte Gruppe von jungen, künstlerisch aktiven oder kunstliebenden Iranern angesprochen haben, die mehr über das Kunstgeschehen ihres Landes erfahren möchte. Daraus folgt, dass die Mehrzahl der Künstler, über die wir in unserem Online-Magazin berichten, ebenfalls der jüngeren Generation angehört und mit neueren Kunstpraktiken arbeitet. Es soll auch erwähnt werden, dass die meisten internationalen Organisationen ihre Informationen über die zeitgenössische iranische Kunst über Tavoos Online und unsere Newsletter erhalten.
H&B: Wie ist das Feedback aus dem Iran selbst? Wie steht es dort überhaupt um die Nutzung des Internet?
Mir-'Emadi: Die meisten unserer Abonnenten leben im Ausland, doch es gibt auch viele im Iran selbst, vor allem Jüngere. Ich bin mir aber sicher, dass die Zahl der einheimischen Nutzer schlagartig ansteigt, sobald wir neben der englischen auch eine persische Version der Website starten. Früher konnten die Webbrowser die Sites in Persisch nicht lesen. Jüngere Entwicklungen haben das nun möglich gemacht, und wir hoffen, in naher Zukunft eine persische Sektion anbieten zu können.
Im Iran und in anderen Teilen der Welt verändert das Internet die Art und die Geschwindigkeit, in der Informationen über Kunst und kulturelle Veranstaltungen vermittelt werden. Das hat auch Auswirkungen auf die Herausgabe von Kunst- und Kulturpublikationen. Für uns im Iran, wie auch im Westen, ist das Internet ein Fenster zur Welt, durch das wir sehen und gesehen werden können. Unsere Kulturen rücken dadurch einander näher und werden zum Interagieren ermutigt. Das Internet spielt hier die gleiche wichtige Rolle wie im Westen. Es hinterfragt die den Medien auferlegten Beschränkungen und gibt vor allem den Jüngeren die Möglichkeit, die gegen den freien Zugang zu Informationen errichteten Barrieren zu durchbrechen.
H&B: Haben sich die Ziele und der Fokus von Tavoos Online in den letzten Jahren geändert?
Mir-'Emadi: Ja und nein. In den letzten zwei Jahren haben wir unserem anfänglichen Anliegen neue Ziele hinzugefügt. Als wir begannen, war unsere Website auf einen Nachrichtenbereich beschränkt. Jetzt enthält sie auch eine Sektion zu Künstlern [http://www.tavoosmag.com/artists/index.htm] und eine mit Artikeln zu verschiedenen Aspekten zeitgenössischer iranischer Kunst [http://www.tavoosmag.com/articles/index.htm]. Diese Sektionen werden nach und nach erweitert.
H&B: Wie ist der Arbeitsablauf bei einer Edition? Wer ist für welche Aufgaben zuständig?
Mir-'Emadi: Wir erhalten laufend Informationen und Nachrichten aus aller Welt, doch nur ein kleiner Teil kommt via Email, vor allem von Künstlern, die im Ausland leben. Den größten Teil der Meldungen sammle und selektiere ich aus der lokalen Presse hier in unserem Büro in Teheran. Tavoos Quarterly, die Kunstzeitschrift, ist im Zentrum des Kunstgeschehens unseres Landes angesiedelt und verfolgt alle Aspekte und Neuigkeiten, die damit zu tun haben. Neben den allgemeinen Kunstnachrichten werden uns Ankündigungen des Museums für zeitgenössische Kunst in Teheran, Eröffnungen der Galerien und Informationen zu anderen Ausstellungen als Einladungskarten und Faxe zugesandt, was ebenfalls in Tavoos Online Berücksichtigung findet.
Eine Sektion mit Artikeln über Künstler, Berichten und Rezensionen wird vom Team der Zeitschrift erarbeitet. Dr. Ahmad Nadalian, der in den ersten Monaten für fast alle Bereiche von Tavoos Online persönlich zuständig war, ist jetzt der geschäftsführende Herausgeber und trifft Entscheidungen in Absprache mit mir, der Direktorin der Zeitschrift und des Verlages. Er schreibt alle Artikel für die Website in Persisch. Sie werden von Media Farzin und Simindokht Dehghani ins Englische übersetzt und editiert. Büroleiterin und zuständig für Öffentlichkeitsarbeit ist Marjan Sakaki. Sahar Shahnazi war für die Aktualisierung der Website und die Email-Korrespondez verantwortlich, aber diese Stelle ist seit kurzem neu besetzt. In dem Maße, in dem die Aktivitäten zunehmen, wird sich auch das Team vergrößern
H&B: Inwieweit ist Tavoos Online mit Tavoos Quarterly verknüpft? Hat die Online-Ausgabe eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber der Druckausgabe, die ja schon seit geraumer Zeit nicht mehr erschienen ist?
Mir-'Emadi: Tavoos Online ist ein Teilbereich von Tavoos Quarterly, beide ergänzen einander. In den ersten Ausgaben des zweimonatigen Newsletters wurden Auszüge aus der Zeitschrift als Nachrichten verwendet, doch nun wird das, worüber wir im Newsletter kurz informieren, im Magazin ausführlicher behandelt.
Derzeit ist unsere Situation die, dass wir mit der Erarbeitung der Nummern der Druckausgabe zwar weiter gemacht haben, die Drucklegung der letzten 6 Hefte aber auf Grund fehlender finanzieller Unterstützung noch nicht erfolgen konnte. Die Hefte 7 bis 10 sind übrigens den Themenkomplexen "Dialog zwischen den Kulturen im Bereich der Kunst" und "Globalisierung der Kunst" gewidmet.
H&B: Was erhoffen Sie sich für die weitere Entwicklung von Tavoos Online?
Mir-'Emadi: Die Zukunft des Internet ist nicht vorhersehbar, viele Aspekte spielen dabei eine Rolle. Ich selbst hoffe, durch Tavoos Online Menschen in aller Welt und besonders auch den im Ausland lebenden Iranern ein klareres Bild der zeitgenössischen Kunst und Kultur des Iran zu vermitteln. Obwohl die Zeit, in der wir leben, "Informations- und Technologie-Zeitalter" genannt wird, sind die Kenntnisse, die wir voneinander haben, unzureichend oder falsch. Wir möchten diese Situation in dem uns betreffenden Bereich verbessern. Wir hoffen, eine Plattform aufzubauen, durch die alle iranischen Künstler in jeder Suchmaschine gefunden werden können, wenn man die entsprechenden Stichwörter eingibt.
Pat Binder & Gerhard Haupt
Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunst. Leben in Berlin.
Tavoos Quarterly
Tavoos Online
Herausgegeben in Teheran, Iran, von Iranian Art Publishing