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Über mangelnde Vielfalt bei Repräsentationen aktueller Kunst Ägyptens.
Von Basim Magdy | Sep 2003Was mit dem ernsthaften Enthusiasmus einiger Kuratoren, westliche Codes der Wahrnehmung von Kunst zu durchbrechen und etablierte Stereotypen abzubauen, begann, hat unbeabsichtigt zur Entstehung neuer geführt. Das wachsende Interesse an verschiedenen künstlerischen Praktiken in Ländern der Dritten Welt sowie die Auswirkungen der Einführung neuer Medien und Ideen auf deren Entwicklung haben maßgeblich zu einer einschränkenden Kategorisierung solcher Praktiken beigetragen. Künstler aus der Dritten Welt haben sich mit einem offenkundig westlichen System der Akzeptanz abgefunden, das solche Werke am meisten favorisiert, die bestimmten Erwartungen hinsichtlich der Themen, mit denen sie sich auseinandersetzen sollten, entsprechen.
Ausgehend von einer stereotypen Sicht westlicher Medien auf die soziale, kulturelle und politische Situation in Ägypten sind die meisten westlichen Kuratoren nur von solchen ägyptischen Kunstwerken fasziniert, die sich speziell mit sozio-politischen Fragen beschäftigen. Demgegenüber tun sie etliche andere ästhetische Interessen als etwas ab, das keine Beziehung zur unmittelbaren lokalen Realität aufweist. Diese Annahme wird in einem Muster offenkundig, nach dem Werke zeitgenössischer ägyptischer Künstler in letzter Zeit in größeren internationalen Ausstellungen präsentiert worden sind. In den meisten Fällen wurden an lokalen sozio-politischen Verhältnissen interessierte Künstler vor allem wegen ihrer geographischen Herkunft (z.B. ägyptisch, arabisch, afrikanisch) ausgewählt, wobei eben auf Grund dieses Backgrounds gewisse kulturelle, ethnische und religiöse Aspekte erwartet wurden.
Obwohl ich nicht behaupten will, dass solche Ausstellungen nur ein geographisch bestimmtes, sozio-politisches Interesse hätten, ist es doch problematisch, wie sehr sie im Westen zu der Auffassung geführt haben, das Schaffen ägyptischer Künstler solle nur Identitätsfragen, poltische Unterdrückung, Gleichheit der Geschlechter, religionsbezogene Fragen oder mangelnde Unterstützung seitens der ofiziellen Stellen untersuchen - und das auf den lokalen Kontext beschränkt.
Ägyptische Künstler, die innerhalb diverser, auf sehr unterschiedlichen individuellen Interessen basierenden Kontexten arbeiten, finden die aktuelle Situation ziemlich frustrierend. Die sterotype Sicht sozio-politischer Kunst als der herausragenden Repräsentation zeitgenössischer ägyptischer Kunst hält sie gefangen zwischen der Anschuldigung seitens der Institutionen des eigenen Landes, sie seien von westlichen Trends beeinflusst, und dem Vorwurf aus dem Westens, sie würden ihre lokalen "Identitätsfragen" vernachlässigen.
Wenn auch die Existenz einer Identitätsproblematik, die normalerweise auf die Auswirkungen kolonialer Praktiken zurückgeführt wird, in Dritte-Welt-Ländern, wie Ägypten, nicht zu negieren ist, sollte man nicht behaupten, Europa sei frei davon. Die europäische Bevölkerung, bis zum 2. Weltkrieg vor allem kaukasisch, ist zu einem unverkennbaren Gemisch aller Rassen, Sprachen und manchmal auch widersprüchlicher kultureller Verhaltensweisen geworden. Daraus resultieren komplexe Identitätsfragen, die mit der Debatte verbunden sind, wie weit die Akzeptanz des Anderen gehen kann. Solche Veränderungen in den europäischen Gesellschaften waren für Künstler oder für Kuratoren des europäischen Mainstream bislang kaum so interessant, dass sie besonders viele Arbeiten dazu geschaffen oder solche gefördert hätten. Stattdessen basiert die Kunstproduktion auf einer Vielfalt von Ideen und individuellen Interessen.
Der aktuelle Trend der kuratorialen Praxis in Bezug auf die zeitgenössische ägyptische Kunst muss dringend hinterfragt werden, da diese die künstlerische Vielfalt beeinträchtigen könnte. Neue Ideen müssen unter den Künstlern, Kuratoren und Galerien diskutiert werden, ohne die Interessen irgendwelcher Beteiligter zu ignorieren (einschließlich des Interesses am Sozio-politischen des Lokalen). Künstler sollten auch die Initiative ergreifen, Ausstellungen in Frage zu stellen, die ein paar von ihnen unter einem geographisch bezogenen Titel zusammenbringen und ihre Werke in einem beschränkten Kontext präsentieren.
Ich sehe Ähnlichkeiten zwischen dieser Situation und einer damit nicht direkt zusammenhängenden, persönlichen Erfahrung. Während meines ersten Besuchs in den USA fand ich es witzig, dass mich Kinder oft fragten, ob ich den Song "Walk Like an Egyptian" (von den Bangles) kenne und ob ich zu Hause tatsächlich wie ein Ägypter gehe. Wieder daheim in Kairo schaute ich mich um, ob es jemand gibt, der "wie ein Ägypter läuft", aber ich konnte keinen finden!
Basim Magdy
Bildender Künstler aus Ägypten, geboren 1977; lebt in Kairo.