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Zentrum für zeitgenössische außereuropäische Künste, Berlin. Interview mit dem Intendanten Dr. Hans-Georg Knopp.
Von Pat Binder & Gerhard Haupt | Mai 2003
Das Haus der Kulturen der Welt hat die Aufgabe, außereuropäische Kulturen in der bildenden Kunst, Tanz, Theater, Musik. Literatur, Film und Medien zu zeigen und sie in einen öffentlichen Diskurs mit europäischen Kulturen zu stellen. Der Schwerpunkt der Programmarbeit des Hauses der Kulturen der Welt liegt dabei auf den zeitgenössischen Künsten und den aktuellen Entwicklungen in den Kulturen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas sowie auf den künstlerischen und kulturellen Folgen der Globalisierung. Dabei stehen Projekte im Vordergrund, in denen Möglichkeiten interkultureller Zusammenarbeit und ihre Präsentation erkundet werden.
(aus der Selbstdarstellung, Website des HKW)
Vom 20. März bis 11. Mai 2003 präsentierte das Haus der Kulturen der Welt das umfangreiche Programm "DisORIENTation. Zeitgenössische arabische Künstler aus dem Nahen Osten" (siehe unseren Rundgang durch die Ausstellung). Dazu und zur Arbeit der Institution zu den Regionen, auf die unser Online-Magazin fokussiert ist, haben wir Dr. Hans-Georg Knopp, den Intendanten des HKW, interviewt.
Haupt & Binder: Durch den zeitgleichen Irak-Krieg geriet DisORIENTation in der öffentlichen Wahrnehmung in den Kontext der aktuellen Ereignisse. Deshalb betonten Sie im Pressegespräch, dass dieses Projekt natürlich lange vorher - bereits vor dem 11. September 2001 - geplant war und die langjährige Beschäftigung des Hauses der Kulturen der Welt mit der Kunst und Kultur des Nahen und Mittleren Ostens fortsetzt. Haben wir Sie richtig verstanden, fanden seit Eröffnung des HKW (1988) tatsächlich 800 Veranstaltungen dazu statt?
Dr. Hans-Georg Knopp: Ja, es sind insgesamt 800 Einzelveranstaltungen, allerdings nicht allein zur Gegenwartskunst aus der arabischen Welt. Zum Beispiel übernahm das HKW vom Linden-Museum Stuttgart die wunderbare Ausstellung "Gärten des Islam" (1993), die auf kulturhistorische Aspekte konzentriert war. Das Konzept des Hauses wurde aber vor einigen Jahren geändert und ist seitdem auf Gegenwartskultur fokussiert. Es gab auch sehr viele Projekte auf dem Gebiet der Literatur, was zum Teil daran lag, dass ein früherer Leiter des Literaturbereichs, Kurt Scharf, selbst Übersetzer aus dem Persischen ins Deutsche ist.
H&B: Seit dem 11. September 2001 ist eine Institution für die Vermittlung und den Dialog zwischen den Kulturen - ob sie will oder nicht - doch sicher wieder verstärkt mit der These vom "Zusammenprall der Kulturen" konfrontiert. In welcher Weise bemüht sich das Haus der Kulturen der Welt, darauf zu reagieren?
Knopp: Einer der Punkte bei Huntington, die einen besonders unangenehm berühren, ist die unglaubliche Simplifizierung. Eine solche findet aber auch in unseren Medien statt, wo immer wieder Pauschalurteile verbreitet werden: Araber sind so, Iraner so ... Diesen Pauschalurteilen muss man Projekte entgegenstellen, die in die Tiefe gehen und die Differenziertheit zeigen.
So lässt DisORIENTation sehr schön erkennen, dass die arabische Welt eben nicht monolithisch ist. In der Vorbereitungsphase haben wir erst relativ spät erfahren, welche Religionszugehörigkeit einige der Künstler haben und mit ihnen darüber gesprochen. Sie haben aber sofort gesagt, sie möchten nicht über die Religion definiert werden - wie das im Westen gemeinhin getan wird. In der arabischen Welt leben aber nicht nur Muslime - der Kurator Jack Persekian z.B. ist Armenier. In unseren Projekten soll deutlich werden, dass dahinter immer konkrete Individuen stehen.
H&B: DisORIENTation hat sehr großes Interesse gefunden. Haben Sie denn aber auch das Gefühl, dass Sie denjenigen, die Sie erreichen wollten, ein solch differenziertes Bild tatsächlich vermitteln konnten?
Knopp: Sicher weil es zu dieser - ich muss schon sagen - unglücklichen Zeitgleichheit kam, dass am Tag der Eröffnung der Irak-Krieg begann, entstand solch ein riesiges Interesse für DisORIENTation. Wir sahen allerdings auch, dass Besucher enttäuscht aus der Ausstellung kamen, weil sie wohl etwas anderes erwartet hatten. Die meisten der Installationen erschließen sich einem nun mal nicht sofort, sondern entfalten ihre Wirkung vielmehr dadurch, dass sie einen länger beschäftigen. Etwas Ähnliches passiert beim Theater, beim Film, bei der Literatur.
Aber ich glaube ohnenhin, dass Kulturaustausch keine sofortigen Wirkungen erzeugt. Deshalb bin ich gegen die Auffassung vom "instant curator", vom "Instant project". Wenn ich heute ein Projekt über die arabische Welt mache, kann ich nicht erwarten, dass gleich morgen alle differenzierter darüber denken.
Bei DisORIENTation sind wegen des Krieges, der hierzulande viele Leute sehr betroffen gemacht hat, neue Besuchergruppen zu uns ins Haus gekommen, die sich normalerweise nicht zu den zeitgenössischen Künsten hingezogen fühlen, nun aber neugierig geworden sind. Und das stimmt mich eigentlich positiv. Menschen sind durchaus in der Lage, ihre Einstellungen zu ändern. Das erfordert aber Zeit und eine längere Auseinandersetzung und ein Bemühen nicht nur des Hauses der Kulturen der Welt, sondern vieler, insbesondere auch der die Medien.
Deshalb sprechen wir zusammen mit der Deutschen Welle über eine Veranstaltung über die Berichterstattung. Man muss sich gerade als Journalist immer wieder fragen, welche Bilder man vermittelt, wenn man über andere Kulturen schreibt, und in welche Gefahr der Pauschalisierung man dabei gerät. In einigen Jahren wollen wir ein Projekt "Inventing the Other" machen, denn heutzutage ist ein wichtiges Thema, dass wir den "Anderen" aus unseren eigenen Vorstellungen schaffen.
H&B: Uns ist aufgefallen, dass die Projekte des HKW in den letzten Jahren wesentlich öfter in direkter Zusammenarbeit mit Kuratoren aus den Regionen realisiert werden, um die es dabei geht. Ist das jetzt ein generelles Konzept des Hauses?
Knopp: In der Tat ist das eine ganz wichtige Konzeption. Sie hängt mit der Frage zusammen, wie es uns gelingt - wenn wir das Wort "Dialog" ernst nehmen - in unseren Projekten dialogisch zu verfahren. Man kennt ja solche Kuratoren, die mal für 3 oder 4 Wochen irgendwohin fahren, mit 40 Werken zurückkommen und behaupten, das sei die zeitgenössische Kunst des besuchten Landes.
Uns geht es hingegen um einen dialogischen Prozess. Wenn wir ein Projekt hier in Berlin präsentieren, sollen auch die Kontexte der Herkunftsländer vermittelt werden. Ich weiß, wie schwierig die Frage der Kontextualisierung ist, aber durch die Zusammenarbeit mit lokalen Kuratoren kann man in dieser Hinsicht einiges erreichen.
Was wir dabei allerdings noch besser machen wollen, ist dem Publikum auch den manchmal Jahre dauernden Prozess der Erarbeitung eines Projektes zu vermitteln. Der ist oft so spannend, wie das fertige Resultat.
H&B: Welche Schwierigkeiten sehen Sie bei solchen Dialogen? Gibt es da vielleicht auch Misstrauen?
Knopp: Das Stichwort Misstrauen ist sehr wichtig. Wir alle hier im Haus stehen immer wieder vor der Frage, wie wir es schaffen, auf einer vertrauensvollen Basis zusammenzuarbeiten. Man muss dazu kommen, dass man in den vorbereitenden Workshops offen und ohne Hintergedanken miteinander spricht, und ich glaube, das ist uns schon sehr gut gelungen.
H&B: Welche Projekte haben Sie geplant bzw. schon in Vorbereitung, die mit der islamischen Welt - in all ihrer Differenziertheit - zu tun haben?
Knopp: Mit dem Begriff "islamischen Welt" muss man vorsichtig sein, ich will sie nicht religiös definieren. Sagen wir mal besser Naher und Mittlerer Osten. Genau in einem Jahr wollen wir ein Projekt mit iranischen Künstlern machen, wobei wir davon ausgehen, dass iranische Künstler nicht nur im Iran leben. Die Hauptkuratorin wird Rose Issa sein, die schon viel mit dem Iran gearbeitet hat und das Land sehr gut kennt. Wir werden auch junge Berater einbeziehen, so z.B. Tirdat Zolgadr, einen in der Schweiz lebenden Iraner.
Auch unser für das Jahr 2005 geplantes Projekt zu Südostasien wird mit Sicherheit auf Fragen des Islam eingehen. Immerhin ist Indonesien das bevölkerungsreichste islamische Land. Ich selbst habe 5 Jahre dort gelebt. Im letzten Dezember war ich erneut in Indonesien, habe zu verschiedenen Aspekten recherchiert sowie Gespräche mit Mohammad Goenawan und anderen auch zum Thema Islam geführt, weil das natürlich eine Frage ist, die uns darüber hinaus auch bei Malaysia, wo der Islam Staatsreligion ist, und bei der Region an sich beschäftigt.
Pat Binder & Gerhard Haupt
Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunst. Leben in Berlin.