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Nachbetrachtungen zum gemeinsamen Ausstellungs- und Austauschprojekt von je fünf Künstlern aus der DDR und Kuba in Havanna und Berlin, 1989. Kuratoren: Gerhard Haupt und José Veigas.
Von Gerhard Haupt | Jun 2022Sieben Beteiligte auf der Freitreppe des Alten Museums in Berlin (v.l.n.r.): Ricardo Rodríguez Brey, Tomás Esson, Zaida de Río, Joel Jovert, Ciro Quintana, Neo Rauch, Klaus Killisch.
© Foto: Gerhard Haupt
Daten und Fakten zur Ausstellung siehe unten.
Blick in die Ausstellung imt Alten Museum, Berlin: Werke von Ricardo Brey (Mitte) und Zaida del Río (links). Leider dürfen die Gemälde von Neo Rauch im Hintergrund aus Copyright-Gründen nicht gezeigt werden, deshalb sind sie unkenntlich gemacht.
© Foto: Gerhard Haupt
Artikel von Gerhard Haupt, veröffentlicht im Magazin "Bildende Kunst" (Ost-Berlin), November 1989:
Längst sind die Kubaner heimgekehrt und haben die zahlreichen Mitbringsel ihrem Alltag einverleibt. Ob darunter Eindrücke von nachhaltiger Wirkung gewesen sind, kann man von hier aus schwer sagen. Schließlich ist unsere Zeit schnelllebig, und was eben noch von Bedeutung war, kann morgen schon wieder einem anderen, stärkeren Einfluss gewichen sein. Hingegen scheint gewiss, dass das Kuba-Erlebnis bei den Künstlern aus der DDR noch geraume Zeit nachwirken wird. Schon so manches Mal leuchteten die Reisebilder in ORWO-Chrom auf dem angestaubten Weiß von Atelierwänden, begleitet von den Beteuerungen, dass eigentlich alles noch schöner war. Ach ja, die Musik von Bola de Nieve und der exotische Geschmack von „Bocoy“ (der unter anderen Umständen womöglich nur als Fusel gelten würde)…
Die Werke sind „rückgeführt", wie es im Fachjargon heißt, und man fragt sich als Mitinitiator des ganzen Unternehmens, ob tatsächlich eine Tür aufgestoßen wurde und zumindest eine Weile offenbleibt. Immerhin sollte es um mehr als nur um eine gemeinsame Ausstellung von jeweils fünf Künstlern aus der DDR und aus Kuba gehen.
Doch zunächst noch einmal die Fakten: Die von den Ministerien für Kultur beider Länder sowie dem Zentrum für Kunstausstellungen der DDR veranstaltete Ausstellung umfasste insgesamt etwa 80 Arbeiten und wurde zunächst von Ende April bis Mitte Mai 1989 im Nationalmuseum von Havanna gezeigt. Vom 24. August bis zum 17. September 1989 waren die Gemälde, Zeichnungen, Objekte und Installationen in der Neuen Berliner Galerie im Alten Museum zu sehen. Zur Ausstellung erschien ein in der DDR produzierter, zweisprachiger Katalog. Vier der Künstler aus unserem Land (Klaus Killisch, Michael Kunert, Neo Rauch, Gerd Sonntag) fuhren während der Laufzeit der Ausstellung nach Kuba.
Wolfgang Smy konnte aus persönlichen Gründen nicht mit auf die Reise gehen. Aus Kuba nahmen Tomás Esson, Joel Jovert, Ciro Quintana, Zaida del Rio und Ricardo Rodríguez Brey teil und kamen zu uns nach Berlin.
Gegenüber den bisherigen gemeinsamen Ausstellungen junger Künstler aus der DDR und anderen sozialistischen Ländern mag die geringe Zahl der beteiligten Autoren überraschen. Sie war nicht größer, weil von vornherein jeder von ihnen eine Reisemöglichkeit erhalten sollte und die Mittel dafür bekanntlich eng begrenzt sind. Darüber hinaus schien es ohnehin angebracht, einen Eindruck von der persönlichen Schaffensart nur einiger Künstler zu vermitteln, statt einen jener strapaziösen Überblicke anzustreben, bei denen die Individualität des Einzelnen in der Masse des Angebots untergeht. Als ein Nachteil solcher Konzentration auf nur wenige Autoren musste allerdings in Kauf genommen werden, dass die Ausstellung nicht die Dynamik kollektiver Erneuerungsprozesse vermitteln würde, die in Kuba Anfang der achtziger Jahre von sehr jungen Künstlern eingeleitet wurden und sich bis heute fortsetzen.
Wie zu erwarten war, gab es sowohl in Kuba als auch hier Kritik an der Zusammenstellung der Kollektion des eigenen Landes. Doch es ging ja nicht darum, jeweils eine "top five" der jungen Kunst zu küren und in den Wettstreit zu schicken. Zweifelsohne wären auch andere Künstlerinnen und Künstler in Frage gekommen, obgleich die zehn gewiss zu den herausragenden Vertretern dieser Generation in ihren Ländern gehören. In enger Zusammenarbeit mit dem kubanischen Ausstellungskommissar sollte mit dem Blick auf besondere Affinitäten oder auch Vorbehalte im anderen Land eine Auswahl getroffen werden, die sich zu einer spannungsvollen, kontrastreichen, aber nicht zweigeteilten Ausstellung zusammenfügt und ein breiteres Publikumsinteresse hervorzurufen vermag. Dabei spielte der Gedanke eine Rolle, dass die meisten Kunstfreunde in Kuba, die aufgrund ihrer Vorurteile oder auch nur Unkenntnis kaum eine Kunstausstellung aus der DDR besuchen würden, sich unserer Kunst mit größerer Bereitwilligkeit nähern, wenn sie im Zusammenhang mit bekannten Künstlern des eigenen Landes gezeigt wird. Umgekehrt dürfte das bei uns wohl auf ähnliche Weise funktionieren.
Ob dem tatsächlich so war, kann man nur schwer einschätzen. Vielleicht hat aber in Kuba so manch einer durch den direkten Kontakt mit den Künstlern aus der DDR erkannt, dass vieles in der jungen Kunst unseres Landes nicht anachronistischer Traditionalismus, sondern ein existentieller Ausdruckszwang ist, der aus dem konkreten kulturellen Kontext resultiert. Dadurch könnten Auffassungen von Modernität und Zeitgemäßheit, die alle heutige Kunst, die nicht ständig nach spektakulären Neuerungen sucht, als stagnierend und zurückgeblieben ansehen, etwas relativiert worden sein. Andererseits wirkt die Unbekümmertheit, mit der sich eine Vielzahl junger kubanischer Künstler über traditionelle Kunstbegriffe hinwegsetzt, bei uns durchaus erfrischend. Natürlich setzt das voraus, dass man sie nicht vorschnell als Oberflächlichkeit oder modische Spekulation abtut und ihren Zusammenhang mit einem - gewiss romantischen - avantgardistischen Selbstverständnis begreift. Das kann durchaus als Bestätigung eigener Intentionen wirken. Bei genauerem Hinsehen und im Verlauf zahlreicher Gespräche konnte man feststellen, dass bei aller Unterschiedlichkeit der Kunst die Standpunkte gar nicht so weit voneinander entfernt sind, wie anfangs oft vermutet wurde.
Wenn solch ein Projekt mehr als nur eine einmalige kulturpolitische Demonstration sein soll, muss man seitens der verantwortlichen Institutionen nunmehr bereit sein, weitere Bemühungen und womöglich private Initiativen, den Kontakt zu pflegen und sich vielleicht auch künftig zu gemeinsamen Vorhaben zusammenzufinden, nach Kräften unterstützen. Denn erst wenn sich eine Kontinuität der Beziehungen herausbilden kann, erreichen so aufwendige Unternehmungen das ganze Maß ihrer Möglichkeiten.
Einige Werke der Ausstellung ►
Aus urheberrechtlichen Gründen können von vier deutschen Künstlern keine Werke gezeigt werden.
Gerhard Haupt
Kunsthistoriker, Kurator, Kritiker, lebt in Berlin, Deutschland. Zusammen mit Pat Binder Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunst.
Junge Künstler der DDR und Kubas
Konzept, Kuratoren:
Gerhard Haupt und José Veigas
April - Mai 1989
Museo Nacional de Bellas Artes, Havanna
24. August - 17. September 1989
Neuen Berliner Galerie im Alten Museum, Berlin
Beteiligte aus Kuba:
Tomás Esson, Joel Jovert, Ciro Quintana, Zaida del Rio, Ricardo Rodríguez Brey
Künstler aus der DDR:
Klaus Killisch, Michael Kunert, Neo Rauch, Wolfgang Smy, Gerd Sonntag
Katalog veröffentlicht vom Zentrum für Kunstausstellungen der DDR. Redaktion: Gerhard Haupt. In Deutsch und Spanisch.
Katalogcover mit einem Ausschnitt aus dem Gemälde "Mauerspringer" von Klaus Killisch, wegen dem es Ärger mit dem Veranstalter in der DDR gab. Wohl auch deswegen durfte Kurator Gerhard Haupt nicht zur Präsentation der Ausstellung in Havanna mitreisen.