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Ausstellung kubanischer Kunst in London, 2008. Die Komplexität des Wirtschafts- und Informationsaustauschs in Kuba. Kuratoren: Gerardo Mosquera, Cylena Simonds.
Feb 2008States of Exchange (Stadien des Austauschs - ein Wortspiel mit Stadium und Staat, Anm.d.Ü.): Künstler aus Kuba, die erste große Ausstellung des Iniva in seinem neuen Domizil in Rivington Place, ist eine dynamische und zum Nachdenken anregende Erkundung der Komplexität des Wirtschafts- und Informationsaustauschs im zeitgenössischen Kuba.
In einer Zeit, in der grenzenlose Kommunikation als ein globaler Standard gilt und in der die Wirtschaftsmächte sich nicht mehr an die alten Trennlinien des Schemas West-Ost halten, ist Kuba eine Nation im Stadium permanenten Wandels, mit zwei legalen Währungen (dem kubanischen Peso und dem Konvertiblen Kubanischen Peso). Es gibt eine wachsende Trennung zwischen denjenigen, die Zugang zu von außerhalb der Insel kommenden Ressourcen haben, und denjenigen, die nicht darüber verfügen. In dieser Situation sind die Kubaner zu Experten eines geschickten Austauschs sowohl zwischen sich selbst als auch mit dem Rest der Welt geworden.
Diese von Cylena Simonds (Iniva) und dem prominenten kubanischen Kurator Gerardo Mosquera konzipierte Gruppenausstellung ist auf sechs Künstlerinnen und Künstler fokussiert, die im Kuba von heute leben und arbeiten: Iván Capote, Yoan Capote, Jeanette Chávez, Diana Fonseca, Wilfredo Prieto y Lázaro Saavedra. Das Spektrum der gezeigten Werke reicht von Skulptur bis Performance, von Installation bis Video. Zur Ausstellung erschien ein Katalog mit Farbabbildungen, und sie wird von einem Programm von Videoprojektionen begleitet, das Kurzfilme der Künstler und experimentelle Dokumentarfilme präsentiert, darunter auch solche, die noch nie zuvor in Europa zu sehen waren.
Zur Ausstellung und zum Programm äußerte Gerardo Mosquera: "Das Ziel der Ausstellung States of Exchange ist es zu zeigen, wie die Künstler in Kuba mit den Widersprüchen, Doppeldeutigkeiten und dem sozialen Verhalten im kubanischen Alltag umgehen, wobei sie zu einer kritischen Kultur gehören, die im Lande seit Mitte der 1980er Jahre dominiert. Sie benutzen die semantische Kraft der Kunst, um komplexe Werke zu schaffen, deren Wirkung weit über den lokalen Kontext hinausreicht. Es handelt es sich hierbei nicht um irgendeine allgemeine Ausstellung kubanischer Kunst, sondern um eine thematische Schau, in der es um Fragen geht, die ganz speziell mit Kuba zu tun haben. Einbezogen sind sowohl junge Künstler, die gerade erst in der internationalen Kunstszene in Erscheinung treten, als auch um schon bekanntere."
Das komplexe System des wirtschaftlichen Austauschs in Kuba ist im Werk "Zweisprachiges Geld" (2002) von Yoan Capote kondensiert. Darin sind eine 25-Cent-Münze der USA und eine kubanische 20-Centavo-Münze miteinander verzahnt, wodurch beide Münzen nutzlos werden. Diese Arbeit ist zu einem ikonischen Ausdruck der aktuellen Situation Kubas geworden. In "Ohne Titel" (Chícharo, 2001) von Wilfredo Prieto ist eine Erbse (chícharo) als Erdglobus bemalt. Was in beiden Werken auffällt, ist die winzige und kaum wahrnehmbare Form, in der die Objekte daherkommen, was mit der großen Bedeutung der darin enthaltenen Inhalte kontrastiert. "Eine Million Dollar" (2002), ebenfalls von Prieto, reflektiert humorvoll den Traum von unbegrenztem Reichtum, indem es die Illusion erzeugt, dass sich ein einziger Dollar unendlich reproduzieren ließe. Um die illusorische Wahrnehmung der Divisen geht es auch in dem Video "Zeitvertreib" (Geld, 2005) von Diana Fonseca, in dem sich zwei Ein-Peso-Münzen plötzlich verflüchtigen und dunkle Flecken auf den Händen der Künstlerin - den Werkzeugen ihres Handwerks - hinterlassen. Die alchemistische Umwandlung der Arbeit in Wert ist das Thema in "Perpetuum Mobile" (2001) von Iván Capote. In einem Glas ist der Schweiß des Künstlers aufgefangen, den dieser vergoss als er eine 25-Cent-Münze so lange feilte, bis davon nur noch Späne übrig waren. Es wird zusammen mit Fotos ausgestellt, die diesen Prozess dokumentieren.
In der Videoperformance "Selbstzensur" (2006) bindet sich Jeannette Chávez die Zunge auf schmerzvolle Weise mit einer Schnur zusammen und schließt den Mund, so dass ihr selbst auferlegtes Schweigen unsichtbar wird. Bei "Secreter" (2000/7) haben die Brüder Iván und Yoan Capote kooperiert, um ein Medium für den Austausch von Geheimnissen in Form eines gigantischen, rudimentären Telefons zu schaffen, das an die in der Kindheit selbst gebastelten Spielzeuge erinnert. In der Installation "Rede" (1999) von Wilfredo Prieto sehen wir Klopapierrollen, die ganz aus der "Granma", dem Zentralorgan der Kommunistischen Partei Kubas" geschnitten sind.
In den Videoanimationen "La gloria borra la memoria" (2006, Der Ruhm löscht das Gedächtnis aus) und "El que no sabe es como el que no ve" (2006, Der nichts weiß, ist wie derjenige, der nichts sieht) verwendet Lázaro Saavedra rote Bohnen, um das Volk zu repräsentieren. Auf dramatische Weise werden die Widersprüche zwischen den offiziellen Repräsentationen des Lebens auf Kuba und den realen Erfahrungen der Kubaner versinnbildlicht. "A veces prefiero callar" (2006, Manchmal ziehe ich es vor zu schweigen) setzt humorvoll die Auseinandersetzungen in Szene, in die sich der Künstler mit sich selbst verstrickt, wenn er über die Sinnlosigkeit der Kunstpraxis und sein Bedürfnis, trotzdem damit weiterzumachen, nachdenkt. Iván Capote zeigt eine ebenso zwiespältige Haltung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit historischer Chroniken. "Geschichte" (2001) ist eine mechanische Skulptur, bei der die Linie, die ein an einem Uhrzeiger angebrachter Stift zieht, von dem Stück Filz dahinter wieder gelöscht wird - eine Metapher dafür, dass die Lektionen der Geschichte nicht gelernt werden.
In "Cambio de estado" (2005, (Wechsel des Stadiums oder auch des Staates - ein Wortspiel, Anm.d.Ü.) evoziert Jeanette Chávez einen Eindruck von Traum und Sehnsucht, indem sie die Decke des Raumes so mit militärischen Schulterstücken dekoriert, dass die Sterne darauf zu Konstellationen des nächtlichen Sternenhimmels am Ausstellungsort werden. "Insel" (2006/7), das große Diptychon von Yoan Capote, repräsentiert den Ozean, der Kuba vom Rest der Welt trennt. Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass die Wellen aus tückischen Angelhaken bestehen. Die USA behaupten, dass jedes Jahr Tausende Kubaner versuchen, die 145 km auf dem Meer zu überwinden, die Kuba von Florida trennen und die zu einem Symbol der fragilen und gefährlichen Beziehungen nicht nur zwischen Kuba und den USA, sondern zwischen Kuba und der Welt überhaupt geworden sind.
KünstlerInnen:
Iván Capote
Yoan Capote
Jeanette Chávez
Diana Fonseca
Wilfredo Prieto
Lázaro Saavedra
Künstler mit Videos: Raychel Carrión, Javier Castro, Alexis de la O Joya, Laimir Fano, Adonis Flores, Alex Hernández, Jesús Hernández, Luis Miguel, Gustavo Pérez, Renier Quer, Alina Rodríguez, Lázaro Saavedra, Asori Soto und Manuel Zayas.
Kuratoren:
Gerardo Mosquera
Cylena Simonds
Die Ausstellung wird durch einen Katalog in Farbe sowie ein Bildungsprogramm und parallele Veranstaltungen begleitet.
States of Exchange
Künstler aus Kuba
23. Januar - 22. März 2008