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documenta - Geschichte

Alle Editionen der documenta in Kassel seit ihrem Beginn 1955

documenta 1

16. Juli - 18. September 1955
Leitung: Arnold Bode, Werner Haftmann
148 Künstler, 130.000 Besucher

Gerhard Richter: Porträt Arnold Bode. 1964
Öl auf Leinwand, 170 x 110 cm
Ausgestellt auf der documenta 2017

Der in Kassel geborene Künstler, Architekt, Designer und Akademieprofessor Arnold Bode (1900-1977) nutzte die Bundesgartenschau als Anlass, um parallel dazu in der Ruine des Fridericianums eine internationale Ausstellung zeitgenössischer Kunst zu organisieren. Gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Werner Haftmann, dem konzeptuellen Kopf der documenta Editionen 1 bis 3, stellt er fast 700 Werke zusammen. Damit sollte die von den Nazis vertriebene Avantgarde nach Deutschland zurückgeholt und der Bevölkerung die als "entartet" diffamierte klassische Moderne sowie jüngere Werke nahegebracht.

documenta 2

11. Juli - 11. Oktober 1959
Leitung: Arnold Bode, Werner Haftmann
339 Künstler, 134.000 Besucher

Der große Erfolg der ersten Schau (130.000 Besucher) bestärkte Bode und Haftmann, eine noch umfangreichere Ausstellung (1.770 Werke) zu konzipieren. Nach dem retrospektiven Blick der ersten documenta, rückte die Kunst der Nachkriegszeit und Gegenwart in den Blick. Haftmann sah die "abstrakte Kunst als die internationale Sprache der Gegenwart und Zukunft" an und stellte sie in den Mittelpunkt der Schau. Da das Museum Fridericianum nicht mehr ausreichte, kamen die Orangerie in der Karlsaue, das Schloss Bellevue und Skulpturen im Außenraum hinzu. Besondere Aufmerksamkeit erregten die riesigen Leinwände des Action Painting aus den USA. Die documenta wurde institutionalisiert (GmbH) und sollte von nun an alle 4 Jahre stattfinden.

documenta 3

28. Juni - 6. Oktober 1964
Leitung: Arnold Bode, Werner Haftmann
353 Künstler, ca. 200.000 Besucher

Die dritte Edition fand nicht wie geplant nach 4 Jahren, sondern erst nach 5 Jahren statt, dem ab 1972 üblichen Rhythmus. Letztmalig wurde eine documenta von Arnold Bode zusammen mit Werner Haftmann geleitet, denen eine größere Gruppe von Kunstspezialisten zur Seite stand. "Mit dem Festhalten an den traditionellen Kunstgattungen Malerei, Skulptur und Grafik sowie weiterhin an der Vormachtstellung abstrakter Kunst war die documenta 3 im Vergleich zur vorherigen Ausgabe wieder weniger nah an ihrer Zeit." (documenta Website). Besondere Beachtung fand die große Abteilung von Handzeichnungen der zurückliegenden 80 Jahre. Im Katalogvorwort nennt Bode die documenta erstmals "Museum der 100 Tage".

documenta 4

27. Juni - 6. Oktober 1968
Leitung: Arnold Bode, ein documenta-Rat wählt die Teilnehmer aus
150 Künstler, 207.000 Besucher

Heftige Kontroversen begleiteten die Vorbereitung, wobei es neben der künstlerischen Ausrichtung auch um die Zukunft der documenta an sich ging. Werner Haftmann trat von seinen Ämtern zurück. Ein zuletzt 26-köpfiges Gremium sollte basisdemokratisch über die Künstlerauswahl entscheiden. Unter den insgesamt 150 Beteiligten waren nur 4 Frauen. Bei der Eröffnung gab es Proteste gegen das Fehlen von Fluxus, Happening und Performance, gegen eine Kommerzialisierung ("documenta der Märkte") sowie Forderungen nach sozialer Relevanz der Kunst. Etwas verspätet war jetzt auch die Pop Art stark vetreten, ebenso wie Color Field Painting, Post-Painterly Abstraction, Op Art und Minimal Art. Etwa ein Drittel der Teilnehmer kam aus den USA.

documenta 5

30. Juni - 8. Oktober 1972
Leitung: Harald Szeemann
222 Künstler, 220.000 Besucher

Harald Szeemann. © Foto: Haupt & Binder

Diese Edition ist die bis dahin wichtigste Zäsur in der Geschichte der documenta. Mit dem Schweizer Kurator Harald Szeemann wurde zum ersten Mal ein allein verantwortlicher künstlerischer Leiter berufen, der für "seine" documenta eine programmatische Ausrichtung mit dem Titel "Befragung der Realität – Bildwelten heute" entwarf. Szeemanns Konzept "wurde zwar nicht in seinem enzyklopädischen Anspruch eingelöst, doch 'Individuelle Mythologien', Fotorealismus, Konzeptkunst sowie die 'parallelen Bildwelten' von psychiatrischer Kunst und Kitsch fügten sich zu einer kreativen Auseinandersetzung mit allen künstlerischen Formen. Szeemann selbst sah die d5 als 'Information über und Wege zur Kunst und damit hoffentlich (als) Beginn einer Nachkunstmarktzeit'." (ältere documenta Website)

documenta 6

24. Juni - 2. Oktober 1977
Leitung: Manfred Schneckenburger
623 Künstler, 355.000 Besucher

Manfred Schneckenburger setzte die Ausweitung des Kunstbegriffs fort, die sich in den beiden vorhergehenden Editionen abgezeichnet hatte. So werden die technischen Medien Film, Fotografie und Video als Kunst präsentiert. Künstlerbücher, historische Fotografien und das Autorenkino waren erstmals auf einer documenta vertreten. Noch nie gab es so viel Videokunst zu sehen. Neben einer Kritik an den Massenmedien, ging es in der documenta 6 auch um die medialen Qualitäten von Kunst, die "Selbstreflexion der künstlerischen Medien" (Malerei über Malerei oder Film, der seine eigene visuelle Grammatik offenlegt). Die Einbeziehung "offizieller" Künstler aus der DDR stieß auf heftigen Protest.

documenta 7

19. Juni - 28. September 1982
Leitung: Rudi Fuchs
182 Künstler, 387.381 Besucher

Der Niederländer Rudi Fuchs verzichtete auf einen Titel und ein theoretisches Konzept. Er wollte die Ausstellung als Dialog von Werken der jüngsten Zeit inszenieren und dabei deren ästhetische Autonomie zur Geltung kommen lassen. Die eher museal ausgerichtete documenta 7 widmete der Malerei den breitesten Raum. Dazu gehörten die opulenten Gemälde der italienischen "Transavanguardia" und die expressiven Bilder der deutschen "Neuen Wilden". Mehr Anklang fanden die Installationen im Außenraum, darunter die gigantische Spitzhacke von Claes Oldenburg und das Arrangement der 7.000 Basaltsteinen von Joseph Beuys als Vorläufer seiner 7.000 zu pflanzenden Eichen.

documenta 8

12. Juni - 20. September 1987
Leitung: Manfred Schneckenburger
317 Künstler, 486.811 Besucher

Eigentlich sollten Edy de Wilde und Harald Szeemann die d8 gemeinsam leiten, brachen ihre Kooperation aber wegen inhaltlicher Differenzen ab. Deshalb übernahm Manfred Schneckenburger kurzfristig erneut die Leitung, musste aber u.a. wegen des Zeitdrucks auf ein theoretisches Konzept verzichten. Gegenüber der Betonung ästhetischer Autonomie in der Vorgängerausstellung, wollte Schneckenburger wieder "die historische und soziale Dimension von Kunst" untersuchen. Klang- und Videoinstallationen sowie zahlreiche Performance-Programme spielten eine große Rolle, während nur relativ wenig Malerei zu sehen war. Stattdessen wurde Architektur und Design große Bedeutung beigemessen.

documenta 9

13. Juni - 20. September 1992
Leitung: Jan Hoet
195 Künstler, 615.640 Besucher

Jan Hoet, Kassel, 1992
© Foto: Ludwig Rauch

Der enorme Erfolg der documenta 9 beim Publikum wird insbesondere dem Talent des Belgiers Jan Hoet als Entertainer und Public Relations Manager zugeschrieben. Aber gerade seine medienwirksame Inszenierung der documenta als Spektakel stieß bei der Kunstkritik auf Ablehnung. Statt eines theoretisch fundierten Programms blieb er bei vagen Andeutungen. Neben der überladenen und unübersichtlichen Ausstellung gab es ein opulentes Rahmenprogramm mit Jazz, Boxen und Baseball als den Kernpunkten. Hinsichtlich seines Ansatzes behauptete Hoet, er wolle bei Null anfangen, die ihm bekannten Künstler vergessen, auf Reisen gehen, nach Neuem suchen. Doch auch seine Version der "Weltausstellung aktueller Kunst" blieb trotz zaghafter Öffnungen bei der etablierten "Westkunst". Weitere kritische Anmerkungen dazu im Artikel von G. Haupt über Künstler aus Lateinamerika auf der documenta 9.

documenta 10

21. Juni - 28. September 1997
Leitung: Catherine David
138 Künstler, 628.776 Besucher

Tunga: Inside out, upside down (Ponta Cabeça), 1997
Installation, Performances. Kulturbahnhof, Kassel.
© Foto: Haupt & Binder

Mit der Französin Catherine David wurde erstmals eine Frau für die Leitung einer documenta ausgewählt. Ihre mit hohem intellektuellen Anspruch erklärte Absicht, in einer "manifestation culturelle" den Sinn und Zweck solcher Großausstellung zu hinterfragen und sich kritisch mit den politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Problemen der globalisierten Gegenwart auseinandersetzen zu wollen, hat ihr schon im Vorfeld viel Kritik vor allem jener eingebracht, die um die Autonomie der Kunst fürchteten. Die Erwartungen hinsichtlich einer weiteren Öffnung der documenta für Kunst aus "nicht-westlichen" Regionen der Welt wurden erneut enttäuscht. In der Reihe "100 Tage - 100 Gäste" kamen hingegen zahlreiche dort beheimatete Intellektuelle und Kunstschaffende zu Wort, darunter Edward Saïd, Okwui Enwezor, Raoul Peck, Wole Soyinka, Suely Rolnik, Gayatri Chakravorty Spivak, Geeta Kapur.

Mehr Infos und Fotos:
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8. Juni - 15. September 2002
Leitung: Okwui Enwezor
117 Künstler, 650.924 Besucher

Okwui Enwezor. © Foto: Haupt & Binder

Die 11. Edition gilt als die erste documenta mit einer tatsächlich globalen, post-kolonialen Perspektive. Mit Okwui Enwezor, geboren und aufgewachsen in Nigeria, wurde zum ersten Mal ein außereuropäischer Kurator zum künstlerischen Leiter einer documenta berufen. Ihm stand ein internationales Kuratorenteam zur Seite: Carlos Basualdo, Ute Meta Bauer, Susanne Ghez, Sarat Maharaj, Mark Nash, Octavio Zaya. Im Vorfeld der Ausstellung in Kassel fanden auf vier Kontinenten transdisziplinäre Plattformen statt, die das traditionelle Format der documenta grundlegend erweiterten.

Mehr Infos und viele Fotos:
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documenta 12

16. Juni - 23. September 2007
Leitung: Roger M. Buergel; Kuratorin: Ruth Noack
119 Künstler, 750.584 Besucher

Lotty Rosenfeld. Durch weiße Klebestreifen verwandelte die chilenische Künstlerin Fahrbahnmarkierungen in Kreuze.
© Foto: Haupt & Binder

Das Kuratorenpaar hatte "Migration der Form" als Thema gewählt. Damit war im Wesentlichen gemeint, dass die visuelle Kultur der Menschheit mit wenigen Grundformen auskommt, die unterschiedlich variiert werden. Wenig hilfreich für das Verständnis des Konzepts sind die drei Leitmotive, die als Orientierung für diese documenta genannt wurden: Ist die Moderne unsere Antike? Was ist das bloße Leben? Und bezogen auf die Bildung: Was tun? Erneut waren vergleichsweise viele Künstlerinnen und Künstlern aus Afrika, Asien und Osteuropa vertreten. Mit etwa 50 Prozent aller Beteiligten ist es der höchste Frauenanteil in der documenta-Geschichte gewesen. Ein Novoum war die Einbeziehung älterer Kunst aus verschiedenen Teilen der Welt.

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9. Juni - 16. September 2012
Leitung: Carolyn Christov-Bakargiev
194 Künstler, 904.992 Besucher

Song Dong: Doing Nothing Garden. Im Hintergrund die Orangerie
© Foto: Haupt & Binder

Carolyn Christov-Bakargiev sammelte einen großen Beraterkreis von sogenannten "Agenten" um sich und wurde durch Chus Martínez als Leiterin der kuratorischen Abteilung unterstützt. Die dOCUMENTA (13) sollte nicht einem einzigen, übergreifenden Konzept folgen, sondern vielfältige Materialien, Methoden und Wissensformen wie in einer Choreografie zusammenführen. Das Leitmotiv lautete "Zusammenbruch und Wiederaufbau" (Collapse and Recovery), also die Heilung von Kriegstraumata durch Kunst, bezogen u.a. auf das im 2. Weltkrieg stark zerstörte Kassel sowie Afghanistan, wo eine documenta-Ausstellung in der Ruine des Königsschlosses von Kabul stattfand. Eine spezielle Schau afghanischer Kunstschaffender wurde im ehemaligen Elisabeth-Krankenhaus in Kassel gezeigt. Es gehört zu diversen ungewöhnlichen Ausstellungsorten wie z.B. die Weinbergterrassen, ein Bunker und zahlreiche "bürgerliche Räume" im Stadtzentrum. Der ausufernde Ausstellungsparkur war in mehreren Tagen kaum zu bewältigen, selbst wenn man das Veranstaltungs- und Filmprogramm ausließ. Die Schlangen der Wartenden vor den Hauptorten sind dennoch so lang gewesen, dass vielen Beobachtern ein weiteres Anwachsen der Besucherzahlen nicht sinnvoll erschien.

UiU Special zur d13 ►

Leitung: Adam Szymczyk
8. April - 16. Juli 2017 in Athen, Griechenland
10. Juni - 17. September 2017 in Kassel
163 Künstler, 103 historische Positionen
339.000 Besucher in Athen
891.500 Besucher in Kassel

Rebecca Belmore: Biinjiya'iing Onji (Von innen). 2017
Handgemeißeltes Marmorzelt, Athen.
© Foto: Haupt & Binder

Unter dem Titel "Von Athen lernen" konzipierte und realisierte der künstlerische Leiter Adam Szymczyk mit einem großen Team von Kuratoren, Beratern, Assistenten eine sehr aufwendige Doppelstruktur an den beiden gleichberechtigten Hauptorten. Die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler waren eingeladen, über die zwischen diesen beiden Städten entstehenden Dynamik zu reflektieren und für jeden der beiden Orte eine Arbeit zu entwickeln. Mit der documenta 14 sollte versucht werden, eine Vielzahl von Stimmen in den zwei Städten und über sie hinaus zu erfassen und aus dem Blickwinkel der mediterranen Metropole Athen, in der sich Afrika, der Nahe Osten und Asien berühren, auch außereuropäische Kontexte zu erfassen.

UiU Special zur d14 ►

18. Juni - 25. September 2022
Leitung: ruangrupa

ruangrupa. © Foto: Gudskul / Jin Panji, 2019

ruangrupa, ein Kollektiv von Künstlerinnen, Künstlern und anderen Kreativen aus Jakarta, Indonesien, ist von einer Internationalen Findungskommission für die künstlerische Leitung der documenta 15 ausgewählt worden. Der von ruangrupa gewählte Titel lumbung ist das indonesische Wort für eine gemeinschaftlich genutzte Reisscheune, in der die überschüssige Ernte zum Wohle der Gemeinschaft gelagert wird. In diesen Kontext stellt die Gruppe ihren Ansatz für die documenta 15: "Wir wollen eine global ausgerichtete, kooperative und interdisziplinäre Kunst- und Kulturplattform schaffen, die über die 100 Tage der documenta fifteen hinaus wirksam bleibt. Unser kuratorischer Ansatz zielt auf ein anders geartetes, gemeinschaftlich ausgerichtetes Modell der Ressourcennutzung – ökonomisch, aber auch im Hinblick auf Ideen, Wissen, Programme und Innovationen."

UiU Special zur d15 ►

© Zusammengestellt von Gerhard Haupt & Pat Binder aus Informationen auf der offziellen Website der documenta und anderen Quellen.


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