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Ansprache von Paolo Baratta

Präsident von La Biennale di Venezia

Wir haben uns angewöhnt, die Biennale als Ort der Suche zu bestimmen. Wir sind es gewohnt zu wiederholen, dass die Biennale, ganz unabhängig vom jeweiligen Thema oder Grundprinzip sich als ein Ort bewähren muss, der methodisch und fast schon wesensnotwendig auf den freien Dialog zwischen den Kunstschaffenden untereinander und zwischen Künstlern und dem Publikum setzt. Die Biennalen der letzten Jahre haben diesen Geist alle bestätigt.

Mit der 57. Ausstellung wird eine weitere Entwicklung eingeführt; es ist, als würde das, was stets die wichtigste Methode unserer Arbeit sein muss, nämlich Begegnung und Dialog, zum eigentlichen Thema der Ausstellung. Denn diese Biennale findet ihre Bestimmung gerade darin, die Existenz der Kunst und der Kunstschaffenden selbst zu feiern und ihnen sozusagen Dank abzustatten, die uns mit ihren Welten eine Aufweitung unseres Horizonts und unseres gesamten Daseinsraumes schenken.

Eine Ausstellung, die sich am Humanismus inspiriert, so drückt es Christine Macel aus. Dabei richtet sich dieser Humanismus nicht auf ein zu erreichendes künstlerisches Ideal, und ebenso wenig zeichnet er sich durch den Hymnus auf den Menschen als zur Herrschaft über die Umwelt bestimmtes Wesen aus; vielmehr geht es um einen Humanismus, der die Fähigkeit des Menschen rühmt, sich - gestärkt durch die Kunst - nicht beherrschen zu lassen von den Kräften, die das Weltgeschehen bestimmen und die, wenn ihnen nicht Einhalt geboten wird, die Dimension des Menschlichen auf tiefgreifende Weise verengen können.

Es ist ein Humanismus, in dem das künstlerische Handeln gleichzeitig ein Akt des Widerstands, der Befreiung und der Freigebigkeit wird.

Bei der Präsentation der Werke übernimmt Macel für ihre Dramaturgie eine bei den großen humanistischen Autoren oft anzutreffende Form: die der Reise; einer langen Reise durch die Ausstellung hindurch, auf der man den Kunstschaffenden begegnet, die sich einander annähern oder voneinander entfernen, je nachdem, wie stark sie sich von den auf sie einströmenden Impulsen und Kraftwirkungen ergreifen lassen, oder auch je nach Art der gewählten Problemstellung oder je nach den Techniken, denen zu folgen sie sich entschlossen haben.

Es ergibt sich so keine Klassifizierung, sondern eine Anordnung, Choreographie, ein episches Gedicht in einem Prolog und neun Kapiteln, wobei jedem Werk individuell die Aufgabe überlassen bleibt, die Besucher mit der eigenen Überzeugungskraft einzubeziehen (und ich weiß, mit wieviel Sorgfalt Macel bei der Auswahl jedes einzelnen Werkes vorgegangen ist).

Dies bringt uns zu einem weiteren Merkmal der diesjährigen Biennale, das als solches bereits ausreichen würde, sie über jede thematische Beschränkung oder Erzählweise hinauszuheben: von den 120 eingeladenen Kunstschaffenden sind nicht weniger als 103 zum ersten Mal in der von unserer Kuratorin besorgten Ausstellung vertreten. Einige sind echte Neuentdeckungen, andere können mindestens für die diesjährige Ausgabe der Mostra als Wiederentdeckungen gelten. Auch hierin, also in diesem Mut zur Auswahl, drückt sich ganz konkret das eigene Vertrauen in die Welt der Kunst aus.

Wir haben in Vergangenheit oftmals - und zwar in allen unseren Sektoren - die Praxis des direkten Kontakts zwischen Künstlern und Besuchern erprobt: in der Architektur, der Musik, im Tanz, im Theater, im Kino. Gelegentlich ist dies auch bei den Visuellen Künsten geschehen, und wenn wir es tatsächlich durchführten, stellten wir fest, wie wichtig dies für die Zwecke einer umfassenderen Beteiligung an der Ausstellung werden konnte. Bei der diesjährigen Biennale gewinnt die direkte Begegnung mit dem Künstler eine strategische Rolle, ja sie wird sogar zu einem Stützpfeiler der Mostra überhaupt, dies um so mehr, als das Programm dank seiner Dimensionen, seines Anspruches und Mutes mir von nie dagewesenem Rang zu sein scheint, insbesondere wenn man die soeben erwähnte Dominanz der Erstteilnahmen bedenkt.

Seit einigen Jahren widmen wir in jeder Kunstaustellung den "Pavillon des Buches" der Zusammenstellung der Werke, die uns von den Künstlern selbst eingereicht worden sind und die von ihnen und ihrem Schaffen handeln, so dass sich geradezu die "Bibliographie" der Ausstellung ergibt. Bei dieser Biennale werden die Kunstschaffende gebeten, auch Publikationen und Texte einzusenden, die in ihrem Bildungsweg und in ihrer künstlerischen Entwicklung besondere Wichtigkeit gehabt haben. Danach wird auch die Zusendung von Dokumenten und Belegen zu ihren Arbeitstechniken erbeten.

Im Lauf dieser Jahre ist unser Interesse an den "Lebensläufen" der Künstler gewachsen; der Zugriff auf ein umfangreiches Archiv bestärkt uns beim Einschlagen dieser Richtung.

Rings um die Hauptausstellung unserer Kuratorin verleihen 81 Pavillons der teilnehmenden Länder, jeweils mit eigenem Kurator, ein weiteres Mal der Vielfalt der Stimmen lebendige Gestalt, die so charakteristisch für die Biennale von Venedig ist. Viele Pavillons sind den vorgeschlagenen Leitlinien unserer Kuratorin gefolgt und haben die Einladung zur Teilnahme an den Gemeinschaftsprogrammen angenommen.

Ferner wird es viele Zusatzausstellungen und Rahmenveranstaltungen geben, unter letzteren den Pavillon für angewandte Künste, der in Partnerschaft mit dem Victoria and Albert Museum London eingerichtet wird, und das Sonderprojekt in Zusammenarbeit mit dem Theater La Fenice. Während der Laufzeit der Ausstellung sind weitere wichtige Veranstaltungen der Biennale geplant: im Juni das 11. Internationale Festival des zeitgenössischen Tanzes (unter Leitung von Marie Chouinard), im Juli und August das 45. Internationale Theaterfestival (Leitung: Antonio Latella), Ende August/Anfang September die 74. Internationale Filmbiennale (Leitung Alberto Barbera), im Oktober das 61. Festival für Zeitgenössische Musik (unter Leitung des Komponisten Ivan Fedele) sowie die wichtigen "College"-Aktivitäten, die in allen diesen Sektoren geplant sind. Viele dieser Unternehmungen werden im Arsenal innerhalb der eigentlichen Ausstellungsflächen der Internationalen Kunstausstellung stattfinden. Kurz und knapp gesagt: Alle Biennalen werden die Krönung der Biennale bilden.

Die Biennale lebt, hoch lebe die Biennale!

Paolo Baratta, Präsident von La Biennale di Venezia

(Presseinformation, 6. Februar 2017)
© Foto: Universes in Universe)

57. Internationale Kunstausstellung
La Biennale di Venezia

13. Mai - 26. November 2017


Viva Arte Viva
Zentrale internationale Ausstellung

Kuratorin: Christine Macel

120 Teilnehmer


85 Nationale Pavillons


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