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María Paz Gaviria über ARTBO

Interview mit der Direktorin der Internationalen Kunstmesse in Bogotá

Binder & Haupt: Wenn du auf die 10. Edition von ARTBO zurückblickst und dir den im letzten Jahrzehnt zurückgelegten Weg vergegenwärtigst, wie schätzt du die Ergebnisse der diesjährigen Messe ein? Welches waren für dich die wichtigsten Aspekte im Jahr 2014?

María Paz GaviriaMaría Paz Gaviria: Vor zehn Jahren hat man in der Cámara de Comercio de Bogotá [Handelskammer] beschlossen, eine Kunstmesse auszurichten. Das geschah in der Absicht, Bogotá als ein kulturelles Ziel zu positionieren und zu promoten und damit zugleich die bildenden Künste des Landes zu stärken. Durch eine Veranstaltung, die weit über eine kommerzielle Messe hinausgeht, sollte in der Stadt eine inklusive Plattform für die Kunst geschaffen werden. In den 10 Jahren ihrer Existenz konnte sich ARTBO in Bezug auf alle diese Ziele konsolidieren. Wir sind überaus zufrieden, sowohl hinsichtlich des Inhalts der Messe als auch ihrer Resultate, mit den internationalen Besuchern, die kamen, der Berichterstattung durch die internationale Presse, der Präsenz der Galerien, die zum ersten Mal dabei waren, und mit all dem Austausch, den die Messe in einem Schlüsselmoment des Prozesses der Internationalisierung der kolumbianischen Kunstszene generiert hat.

Andererseits ist ARTBO für das Wachstum des Marktes in Kolumbien von grundlegender Bedeutung. So sollten zum Beispiel auch die parallelen Messen erwähnt werden, die in Bogotá entstanden sind, was ein Phänomen ist, das ansonsten in Lateinamerika nicht so oft vorkommt, für die sehr großen Messen anderswo hingegen typisch ist. Dass es in diesen letzten Jahren geschafft wurde, alternative Plattformen des Marktes und andere Veranstaltungen der Stadt hervorzubringen, und ARTBO die treibende Kraft neuer Initiativen war, ist auch ein Erfolg der Messe: es ist ein Erfolg für die Szene und ein Erfolg für die Künstler.

Doch neben ihrem kommerziellen Teil, dem eine wesentliche Bedeutung zukommt, geht ARTBO über diesen Aspekt hinaus, und zwar in ihren Räumen, in ihren Aktivitäten, in den verschiedenen Sektionen, darunter die in diesem Jahr neu hinzugekommenen. Dadurch erlangte ARTBO den Charakter eines Katalysators, der erheblich dazu beiträgt, die Kunst Kolumbiens im internationalen Kontext zu positionieren, indem die Messe eine viel breitere Plattform bildet, eine weitaus offenere, mit mehr erzieherischen Komponenten und mit einem anderen Format. Ich denke, das ist etwas, was die Messe auf überzeugende Weise geschafft hat.


B&H: Welchen Grad der Internationalisierung hat ARTBO hinsichtlich der teilnehmenden Galerien erreicht? Und da die Verkäufe ein entscheidendes Kriterium für eine kommerzielle Messe sind, ergibt sich die Frage, wie offen der Kunstmarkt Kolumbiens ist?

MPG: ARTBO war schon immer als eine internationale Messe angelegt, und es wird großer Wert auf diesen Aspekt gelegt: in diesem Jahr sind von den 66 Galerien und 14 Projekten 80% international. Ich weiß nicht, ob eine Sache die andere beeinflusst, aber man hat im hiesigen Markt das Gefühl und kann beobachten, dass die kolumbianischen Käufer dem Internationalen und auch der jungen Kunst gegenüber ziemlich offen sind.

Die meisten kolumbianischen Käufer sind jung, beginnen gerade zu sammeln, sind aber auch empfänglich dafür, Kunst aus anderen Ländern und von jungen Künstlern zu kaufen. Und das widerspiegelt sich ebenso im Angebot wie in den Verkäufen der Messe. Im Allgemeinen sind die Galerien mit sehr guten Ergebnissen abgereist. Natürlich hatten gerade die kolumbianischen Aussteller sehr gute Verkäufe, aber auch die internationalen, selbst jene, die zum ersten Mal dabei waren. Ich hörte viele Kommentare über die große Zahl eines neuen Publikums, das die Messe besuchte, aber auch über die gesunde Balance zwischen kolumbianischen Sammlern, neuen Käufern, sich informierenden Personen und internationalen Sammlern und Kuratoren.


B&H: Aus welchen Ländern kamen die meisten internationalen Teilnehmer und Besucher?

MPG: Im Laufe der letzten drei Editionen hat sich sowohl die Zahl der vertretenen Länder wie auch die Anzahl der internationalen Besucher verdreifacht. In diesem Jahr war in der Messe eine Auswahl von Galerien aus 30 Städten Lateinamerikas, den USA und Europas vertreten. Brasilien und Spanien sind die Länder, aus denen wir die meisten Bewerbungen erhielten, aber auch aus Europa an sich trafen signifikant mehr ein. Was die ausländischen Besucher betrifft, so kamen sie aus verschiedenen Ländern Lateinamerikas, insbesondere Brasilien, viele aus Peru und Argentinien, einige Mexikaner, und gleichzeitig ist auch die Zahl der nicht aus Lateinamerika stammenden Besucher in diesem Jahr die bislang größte gewesen.

In diesem Moment wird von Europa und den USA aus viel nach Lateinamerika geschaut, insbesondere auf das Brodeln der Kunstszene in Kolumbien. Außerdem hallt die wachsende Bedeutung der Wirtschaft dieser Schwellenländer ohne Zweifel in deren Kunstmarkt wider und verleiht diesem in der Welt mehr Beachtung. Hinsichtlich der Messen kann man das an der Internationalisierung von ARTBO feststellen sowie auch in der Präsenz Kolumbiens als Ehrengast der Messe ARCO 2015 in Madrid.


B&H: Welche Erklärung hast du dafür, dass auch Galeristen und Sammler aus Ländern, in denen es selbst starke Kunstmessen gibt, so großes Interesse an ARTBO haben? Wie positioniert sich ARTBO im Wettbewerb mit anderen Messen?

MPG: Ich denke, ARTBO unterscheidet sich durch ein eigenes Modell von Messe, das über das Kommerzielle hinausgeht und kuratierte Bereiche sowie solche einschließt, die das Publikum auf neue Weise an die Kunst heranführen sollen.

In kommerzieller Hinsicht gibt es diese Hauptsektion von Galerien, bei der ARTBO als ein Programm der Handelskammer von Bogotá außerordentlich vorsichtig in Bezug auf das Ausmaß und die Qualität der Auswahl und des Angebots ist. Dieses mittlere Format, das es erlaubt, den Blick der Messe auf die Auswahlkriterien, die Qualität und die Vielfalt der Ausstellung zu konzentrieren, ist einer der Punkte, durch die sie sich von anderen abhebt. Es sind auch solche kuratierten Sektionen wie Projekte, in diesem Jahr mit 14 Einzelprojekten von Künstlern und Designern, die von einer Galerie vertreten werden, ausgewählt von José Roca für eine Schau mit dem Titel El uso estético del objeto [Die ästhetische Verwendung des Gegenstands] und präsentiert in anderen architektonischen Anordnungen ausgehend von einer hexagonalen Form, aus der eine größere Einheit des Raumes und des Rundgangs resultierte. In der Sektion Referentes, [Referenzen], kuratiert von Carolina Ponce de León und Santiago Rueda, ging es darum, einen historischen Kontext zu bieten, indem Werke von großer referentieller Bedeutung für die zeitgenössische Kunst gezeigt werden. Selbst wenn auch solche Bereiche zum kommerziellen Aspekt der Messe gehören, erlauben sie jedoch einen anderen Blick und bieten eine andere Atmosphäre und ermöglichen es, die Werke und die künstlerischen Prozesse für die Besucher aus der Sichtweise von Kuratoren zu kontextualisieren.

Andererseits hat die Messe auch nicht-kommerzielle Sektionen, was sie definitiv von anderen Veranstaltungen dieser Art unterscheidet. So z.B. die Sektion Artecámara, die ebenfalls als ein Projekt der Cámara de Comercio de Bogotá vor 10 Jahren entstand und ein Salon für Künstlerinnen und Künstler des Landes ist, die jünger als 40 Jahre sind, noch keine kommerzielle Vertretung haben und im Ergebnis einer landesweiten öffentlichen Ausschreibung ausgewählt werden. Die Möglichkeit, diesen Bereich für das Sichtbarmachen von jungen Künstlern und das Entdecken durch das Publikum innerhalb einer solchen Plattform wie der Messe mit deren Besucherstrom zu haben, verändert die Realität dieses Modells, schafft eine andere Art von Messe.

In diesem Jahr wurde Artecámara ganz erheblich erweitert. Die Sektion wuchs von 23 beteiligten Künstlern auf über 50 an und bezog erstmals unabhängige Produzentengalerien ein. Solche Künstlerräume, die im Land inmitten gewisser institutioneller Mängel oder Unzulänglichkeiten entstehen und sich Aktivitäten widmen, die im Rahmen des Kunstmarkts eher ungewöhnlich sind, gehören ohne Zweifel zu den Initiativen, aus denen die kolumbianische Kunstszene die größte Vitalität gewinnt, und auch deren Präsenz trägt zum eigenen und andersartigen Modell von ARTBO bei. Alle diese Elemente des Ausmaßes, der Qualität, des Kuratierens und der nicht-kommerziellen Räume machen die Messe anders und generieren Interesse.


B&H: Wie war die Reaktion auf die neue Sektion Referentes? Wird sie in den nächsten Editionen von ARTBO weitergeführt?

Obwohl Referentes ein kommerzieller Bereich ist, handelt es sich um eine kuratierte Ausstellung (in diesem Jahr von Carolina Ponce de León und Santiago Rueda) mit Werken von Künstlerinnen und Künstlern, die von maßgeblicher Bedeutung für die zeitgenössische Kunst sind, sowohl in Lateinamerika wie auch in anderen Regionen der Welt. Das Sammeln von Kunst ist in Kolumbien ein relativ neues Phänomen, es ist etwas, das sich verändert und entwickelt hat. Man kann sagen, dass es sowohl unter den an kolumbianischer Kunst Interessierten wie unter deren Käufern noch kein ausreichend ausgeprägtes Bewusstsein für die Bedeutung der Kunst der Moderne und die Ursprünge der zeitgenössischen Kunst gibt. Deswegen wurde beschlossen, diese Sektion zusammenzustellen, und der beste Weg dafür war die Realisierung im Rahmen eines kuratierten Bereichs in der Messe und die Nutzung des Bestands an historischen Werken der teilnehmenden Galerien. Es war ein Experiment mit wunderbaren Ergebnissen - hinsichtlich der Kritik, der Verkäufe, der Reaktionen in vielerlei Hinsicht -, das selbstverständlich fortgesetzt wird.


B&H: Und die anderen Sektionen...?

Auch die neue Sektion Künstlerbücher wird nächstes Jahr fortgesetzt und erweitert. Und für Articularte [Artikuliere dich], vormals ein Bereich für kleinere Kinder, haben wir das Konzept neu ausgerichtet. In diesem Jahr ist eine jede Station direkt von Künstlern konzipiert worden, um sich darum zu bemühen, jedwede Publikumsgruppen in die Erfahrung eines Workshops einzubeziehen. Es sollten sich sowohl Erwachsene wie auch Kinder an solchen Aktivitäten wie denen von Antonio Caro oder den Bausteinen von Mateo López beteiligen. Das ist etwas, das wir nie zuvor getan hatten: Pädagogik mit den bildenden Künsten und von den Künstlern selbst durchgeführt.


B&H: Worin siehst du deine größte berufliche Herausforderung für die Zukunft?

MPG: Ich neige nicht dazu, die Zukunft an bestimmten Punkten festzumachen, sondern ziehe es vor, mich auf die gegenwärtigen Aufgaben der Leitung der Messe zu konzentrieren. Die Herausforderung besteht in der weiteren Internationalisierung von Bogotá und der kolumbianischen Kunstszene, was meiner Ansicht nach von grundlegender Bedeutung für diese Szene ist, damit sie sich besser entwickeln und stärken kann, und das verdient sie auch. Das zum Einen, und zum Anderen gibt es das Thema der Demokratisierung der bildenden Künste, einer größeren Sichtbarkeit der Stärke der Kunstszene innerhalb Kolumbiens. ARTBO soll nicht nur etwas für Künstler, Galeristen, Kuratoren, Sammler etc. sein, sondern eine Veranstaltung, die Bogotá kulturell verändert.

© Interview und Übersetzung aus dem Spanischen:
Pat Binder & Gerhard Haupt, November 2014

ARTBO
Internationale Kunstmesse in Bogotá


ARTBO, 10. Edition

24. - 27. Oktober 2014

Gran Salón de Corferias
Avenida La Esperanza con Carrera 39
Bogotá D.C., Kolumbien

Special von Universes in Universe:
Informationen und große Fototour
durch alle Sektionen von ARTBO 2014

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