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Al-Khazneh

Al-Khazneh

Wenn der Siq auf den letzten Metern enger und dunkler wird, leuchtet plötzlich die Al-Khazneh (Schatzhaus) am Ende der Felsspalte auf. Steht man dann vor einer der berühmtesten Fassaden der Welt, ist das ein großartiges Erlebnis - vorausgesetzt man ist dort, bevor Massen von Touristen den Blick versperren.



Die Nabatäer hatten diesen Auftakt beim Betreten ihrer Hauptstadt von Osten her noch weitaus imposanter inszeniert, als der heutige Anblick erahnen lässt. Der Vorplatz lag etwa 6 m tiefer, war gepflastert, und es könnte dort auch einen Teich gegeben haben. Eine etwa 13 m lange und mehr als 5 m breite Freitreppe führte über ältere Gräber (siehe unten) zur Terrasse vor dem Säulenportal hinauf. Das prachtvolle Mausoleum (25 m breit, 39 m hoch) wurde wahrscheinlich in der zweiten Hälfte der Regentschaft von König Aretas IV. (regierte 9 v. Chr. - 40 n. Chr.) erbaut, doch weiß man nicht für wen. Auf der Plaza gefundene Spuren abgebrannten Weihrauchs lassen darauf schließen, dass Al Khazneh eine wichtige Pilgerstätte war.

Ein so repräsentatives Grabmal an diesem überaus prominenten Ort kann eigentlich nur für einen nabatäischen König oder eine Königin gebaut worden sein. Es entstand in der Anfangsphase eines massiven Ausbaus von Petra zum internationalen Schaufenster des Nabatäerreichs (S. G. Schmid). Dessen Oberschicht kannte die Architektur und Kunst in den Metropolen des Mittelmeerraums bestens und wusste, womit sie hochrangige Besucher beeindrucken konnte. Doch wurden die Vorbilder nicht bloß nachgeahmt, sondern den eigenen Bedüfnissen und Vorstellungen entsprechend adaptiert und interpretiert.

Die Gestaltung der reich mit floralen und figurativen Elementen verzierten Al Khazneh weist deutliche Bezüge zur ptolomäischen Palastarchitektur Alexandrias auf. Möglicherweise ist der Bau sogar von alexandrinischen Steinmetzen und Bildhauern geschaffen worden. Berechnungen zufolge könnten die Arbeiten etwa drei Jahre gedauert haben. Wie die meisten Felsfassaden in Petra, so ist auch diese mit einer hellen Stuckschicht überzogen und farbig bemalt gewesen.

Der arabische Name "Khazneh al-Fira'un" (Schatzhaus des Pharao, kurz: al-Khazneh) stammt von Beduinen, die glaubten, ein ägyptischer Pharao hätte in der Urne auf der Spitze einen Schatz versteckt. Deshalb schossen sie immer wieder auf diese steinerne Urne in der vergeblichen Hoffnung, dort vermutete Goldstücke und Edelsteine würden herausfallen.

Möglicherweise schon in der zweiten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. haben Bilderstürmer den Figurenschmuck entstellt. Im Laufe der Jahrhunderte füllten diverse Springfluten den Vorplatz meterhoch mit Schwemmgut. Doch im Vergleich zu anderen Fassaden in Petra blieb Al-Khazneh relativ gut erhalten, denn tief in die senkrechte Felswand auf der Westseite der engen Schlucht geschlagen, war das Grabmal besser vor Wind und Regen geschützt.

Es gibt keine konkreten Belege dafür, wann, von wem und für wen Al-Khazneh erbaut wurde. Lange basierten die vielen Datierungsversuche allein auf stilistischen Vergleichen sowie auf dem Kontext historischer Ereignisse und des sonstigen Baugeschehens im nabatäischen Petra.

Als wegen des Irakkrieges 2003 die Besucherzahlen stark zurückgingen, nutzte man die Gelegenheit, um auf dem ansonsten übervollen Vorplatz eine größere archäologische Grabung vorzunehmen. Dabei sind einzelne Segmente der Plaza untersucht und die älteren Gräber unterhalb der Khazneh soweit als möglich freigelegt worden. Mindestens eines davon ließ sich aufgrund von Keramikscherben auf 25/20 bis 10 v. Chr. datieren. Einige Jahrzehnte danach erfolgte der Bau der Khazneh über den älteren Gräbern, wofür deren obere Giebel weggeschlagen werden mussten. Einige blieben aber weiterhin in Benutzung. (weitere Infos: Zeichnungen und Bildseite)

Die Ergebnisse dieser Ausgrabung legen eine Entstehung der Khazneh in der zweiten Hälfte (18 - 40 n. Chr.) der Regentschaft von König Aretas IV. nahe. Aretas IV. Philopatris ("der sein Volk liebt"), auch "der Große" genannt, herrschte von 9 v. Chr. bis 40 n. Chr.; seine Regierungszeit gilt als Höhepunkt des Nabatäerreiches. Diese Datierung wird durch einige Bauten mit sehr ähnlicher Ornamentik im Stadtzentrum bestätigt, die zeitgleich oder relativ kurz nach Al-Khazneh entstanden: Qasr al-Bint, Teile des sogenannten Großen Tempels sowie der Löwen-Greifen-Tempel.

(Quellen u.a.: S. Farajat & S. Nawafleh; R. Wenning
© Zusammenfassung: Universes in Universe)

Bei der Khazneh sind sowohl in der Grundstruktur des Baus als auch bei ornamentalen Details Einflüsse der ptolemäischen Palastarchitektur Alexandrias zu erkennen. Ein besonders auffälliges Motiv ist die Tholos (Rundtempel, beim Khazneh mit geschlossenen Wänden als Monopteros) in der Mitte eines gesprengten (offenen) Giebels, das auch anderswo im meditteranen Raum vorkommt. Ein ähnliches Grundprinzip erscheint in der Architekturdarstellung einer Wanddekoration der Casa del Labirinto in Pompeji (70 - 60 v. Chr., Italien), in der ein Rundtempel zwischen hohen Säulen mit gesprengtem Giebel perspektivisch weit nach hinten versetzt ist.

Direkte Übereinstimmungen mit alexandrinischen Vorbildern wurden u.a. bei Fassadengestaltungen und Elementen der Bauornamentik des Palazzo delle Colonne in Ptolemaïs (Kyrenaika, im Nordosten des heutigen Libyen) nachgewiesen, so z.B. in der Gestaltung der Giebel. Weitere Details auf den Bildseiten der informativen Fototour.

Die Khazneh diente vereinfacht als Modell für andere Fassaden des klassisch-komplexen Typs in Petra wie das Korinthische Grab an der Wand der Königsgräber sowie Ad Deir (Kloster).

(Quelle u.a.: Marianne Bergmann
© Zusammenfassung: Universes in Universe)

Die Hauptfigur der Fassade vor dem Monopteros (Rundbau mit Säulen ohne Cella) ist durch das Basileion (Isis-Emblem) auf dem mittleren Akroterion des Giebels als Isis identifiziert. Die Nabatäer haben den Isis-Kult aus Ägypten übernommen, wo die schon im 3. Jahrtausend v. Chr. erwähnte Göttin in der griechisch-römischen Epoche neu interpretiert und überaus populär wurde. Spätestens im letzten Drittel des 1. Jh. v. Chr. begann die Isis-Verehrung in Petra, was u.a. eine Figur von 26/25 v. Chr. im Wadi Siyyagh belegt, die durch eine Inschrift eindeutig benannt ist. In Doppelporträts des Herrscherpaares auf Münzen aus der Zeit König Aretas IV. (9 v. Chr. - 40 n. Chr.) sind sowohl dessen erste Gattin Huldu als auch seine zweite Shaqilat in ptolemäischer Weise mit stilisierter Isis-Krone dargestellt.

"Die Deutung der Isis [des Khanzneh] muss im Kontext des gesamten Bildprogramms erfolgen, das neben regenerativen Motiven fortwährender Fruchtbarkeit immer wieder auf den sepulchralen Bereich verweist. Dies enthält keinen Widerspruch, sondern bildet die zwei Pole eines Aspektes. Isis wird aus dem Osirismythos entwickelt und erhält die Funktion einer Schutzgottheit der Toten. Von den Griechen mit Demeter verglichen, wird Isis Herrscherin der Unterwelt, während sie andererseits als Himmelskönigin zur allmächtigen Gottheit aufsteigt, wodurch sie den Nabatäern vermittelbar war." (Robert Wenning)

Die Kolossalreliefs je eines Mannes mit Pferd zwischen dem äußeren Säulenpaar auf beiden Seiten des Untergeschosses der Fassade stellen die Dioskuren dar, die Halb-/Zwillingsbrüder Kastor und Polydeukes (oder Pollux). Im antiken Mythos gelten sie als Symbol der Hoffnung, Erlösung und Unsterblichkeit, und so sind sie wohl auch im ikonografischen Kontext des Khazneh zu deuten. Darüber hinaus werden sie als Psychopompoi interpretiert, die die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits geleiten.

Ausführlichere Informationen zu den einzelnen Figuren in unserer Fototour.

(Quellen u.a.: R. Wenning: Hellenistische Denkmäler aus Petra
© Zusammenfassung: Universes in Universe)

Aus dem Fuß der Steilwand, an der Al-Khazneh entstand, wurden einige Jahrzehnte zuvor fünf Gräber herausgehauen. Wahrscheinlich waren vier vom Typ Hegra, also Stufengräber mit hoher Fassade und großen Halbzinnen (mehr dazu auf der Bildseite).

Wie bei allen Felsbauten der Nabatäer, begann man auch bei Al-Khazneh von oben (siehe die Zeichnungen). Zuerst legten die Steinmetze einen schmalen Steg über die gesamte Breite an und meißelten dann Ebene für Ebene die Architektur, Dekorationen und Innenräume aus der Wand heraus, wobei sie den Vorzeichnungen der Meister folgten. Alle Teile mussten vollständig fertiggestellt sein, ehe man sich eine Stufe weiter nach unten vorarbeiten konnte. Bei großen Fassaden wurde die abzutragende Oberfläche in Rechtecke unterteilt, wodurch die Arbeit der für jedes Segment verantwortlichen Handwerker besser zu kontrollieren war. Für Nachbesserungen am fertigen Bau, das Stuckatieren und Bemalen konnten Arbeiter auf einem Sitz an einem Seil von der Oberkante des Felsens herabgelassen werden.

Zwei vertikale Reihen von Löchern beiderseits der Fassade dienten als Kletterkerben und als Halterungen für Gerüststrukturen, um die Außenseiten des Bauwerks zu bearbeiten. Sie beginnen erst etwa 12 m oberhalb der Terrasse vor dem Eingang der Khazneh, weil bis dahin die älteren Gräber reichten, auf denen die Handwerker zunächst noch stehen konnten. In dem Maße, wie die Arbeiten am Untergeschoss vorangingen, wurden die oberen Bereiche der älteren Grabfassaden abgetragen. Einige dieser Gräber blieben weiterhin in Benutzung, eines musste aber wohl zugeschüttet werden.

Auch die Innenräume sind von oben nach unten herausgemeißelt worden. Sobald die Außenwand bis zur Höhe des geplanten Eingangs abgetragen war, trieb man horizontale Arbeitsstollen in den Fels. Davon ausgehend wurde der Innenraum nach und nach ausgehöhlt und von der Decke her nach unten gestaltet.

Abgeschlagenes Gestein und Sand nutzte man, um den großen Vorplatz der Khazneh auszugleichen, bevor er gepflastert wurde. Das gesamte Bauprojekt erforderte eine genaue Planung des Umfelds, weil Dämme gegen die Fluten aus den Seitentälern und Entwässerungskanäle angelegt werden mussten. Auf der Felskante oberhalb der Khazneh gibt es einen solcher Kanal zum Ableiten herabließender Wassermassen.

Berechnungen zufolge könnte Al-Khazneh in etwa drei Jahren gebaut worden sein.

(Quellen u.a.: Naif A. Haddad; S. Farajat & S.Nawafleh; Jean-Claude Bessac
© Text: Universes in Universe)

Die informativen Fototouren stellen die Sehenswürdigkeiten von Petra vor, zeigen versteckte Details und empfehlen wenig bekannte Routen.
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