Universes in Universe

Für eine optimale Ansicht unserer Website drehen Sie Ihr Tablet bitte horizontal.

Museum für Islamische Kunst

Mschatta-Fassade

Mschatta-Fassade

Reich dekorierte Außenmauer eines Wüstenschlosses im Museum für Islamische Kunst Berlin

Der riesige Palast Qasr al-Mshatta (im heutigen Jordanien) wurde vermutlich während der Regierungszeit des umayyadischen Kalifen al-Walid II. (743 -744) begonnen, blieb aber wegen dessen Ermordung unvollendet. Sie ist ein Schlüsselwerk frühislamischer Architektur. Die 33 m lange und ca. 5 m hohe Hauptfassade der südlichen Außenmauer, die sich im Museum für Islamische Kunst Berlin befindet, wurde dem deutschen Kaiser 1903 vom türkischen Sultan geschenkt. Die Bezeichnung Mschatta (Winterlager) stammt von den Beduinen, der ursprüngliche Name ist nicht bekannt. Mehr Infos ganz unten.

Mshatta Façade

Ein als Zickzack-Band angelegter Akanthusfries bildet dreieckige Flächen, aus denen große Rosetten hervorragen. Jedes Dreieck ist mit anderen Motiven gefüllt. Auch der mehrfach geliederte Sockel und das Gesims sind reich dekoriert.

Mshatta Façade

Zur Mschatta-Fassade gehören zwei Tortürme und Teile der Einfassung des Portals. In der Ruine des Palasts fand man zahlreiche Fragmente von Skulpturen, die Menschen und Tiere darstellen.

Mshatta Façade

Auf der linken Seite der Fassade entfaltet sich ein Paradiesgarten in detailreichen Reliefs aus Kalkstein. In jedem Dreieck wechseln die Motive, darunter Weinranken mit Trauben, verschiedene Vögel, Tiere und Fabelwesen.

Mshatta Façade

Paare eigentlich verfeindeter Tiere trinken gleichzeitig aus dem selben Kelch. Vögel sitzen im Geäst und picken an Trauben.

Mshatta Façade

Raubtiere koexistieren friedlich mit Hausvögeln in einem paradiesischen Weingarten.

Mshatta Façade

Wo der linke Turm und das lange Mauerstück eine Ecke bilden, sind das Zickzack-Band des Akanthusfrieses und eine Rosette gekonnt eingepasst. Rechts am Turm sieht man zwei Fabelwesen, links zwei trinkende Tiere.

Mshatta Façade

Ein Greif und ein Kentaur am linken Turm. Als Sternbild Schütze ist das Mischwesen aus Mensch und Pferd mit Pfeil und Bogen ausgestattet. Hier erscheint es jedoch friedlich ohne seine Waffen.

Mshatta Façade

Weinranken kringeln sich zu Voluten, in denen Tiere und Fabelwesen sitzen. Die Mschatta-Fassade ist eine Synthese vielfältiger formaler Vorbilder und Traditionen der Region, was auch in den mythologischen Wesen zum Ausdruck kommt.

Mshatta Façade

Rechts ein Simorgh (Pfauendrache) aus der persischen Mythologie, der als Schutzvogel mit magischen Kräften gilt. Er ist mit Pfauenschwanz und dem Kopf eines Hundes dargestellt.

Mshatta Façade

Weinreben mit Trauben, Blättern und Ranken sind zu Medaillons verflochten, in denen Vögel verschiedener Art an reifen Beeren picken.

Mshatta Façade

Rechts vom Eingang erscheinen keine Lebewesen, wohl aus Rücksicht auf die Moschee auf der Innenseite der Mauer, für die ein Bilderverbot galt. Die Fassade ist mit dichten Ranken aus Weinlaub und Trauben dekoriert. Der Löwe wurde im Palast gefunden.

Mschatta Palast in Jordanien

Der Mschatta-Palast in Jordanien. Die 33 m lange, reich dekorierte Fassade im Berliner Museum für Islamische Kunst ist das Mittelstück der 44 m langen südlichen Außenmauer (vorn im Bild).

Informationen und Fotorundgang durch die archäologische Stätte südlich von Amman. In "Art Destination Jordanien" von UiU.


Wie die Mschatta-Fassade nach Berlin kam

Die Erwerbungsgeschichte sowie die weitere museologische Biografie machen Mschatta zum Paradebeispiel einer shared heritage und verleihen ihr Modellcharakter für die Zusammenarbeit mit dem Herkunftsland.

Ende des 19. Jahrhunderts studierte vor allem Rudolf Ernst Brünnow das Monument erstmals ausführlich. Auf dieser Grundlage und vermittelt durch den Grazer Kunsthistoriker Josef Strzygowski (1862-1941) erkannte Wilhelm von Bode (1845-1925) die Bedeutung Mschattas für die Wissenschaft. 1902 konnte er den [deutschen] Kaiser für die Fassade begeistern. ln kürzester Zeit setzte Bode alle nötigen Hebel in Bewegung, um die Fassade offiziell als Geschenk des Sultans für Berlin zu sichern, die Mittel zur Dokumentation und zum Transport einzuwerben und die wissenschaftliche Dokumentation und den Abbau zu organisieren. Argumentativ sollte ihm dabei helfen, dass im Zuge des Baus der Hedschasbahn Steinraub an der Palastanlage beobachtet wurde.

Die Schenkung der Fassade wäre ohne die persönliche Freundschaft der beiden Monarchen nicht möglich gewesen, die sich durch die Besuche von Kaiser Wilhelm am osmanischen Hof (1889 und 1898), die gleich gelagerten wirtschaftlichen Interessen und die gemeinsamen autokratischen politischen Vorstellungen entwickelt hatte. Die zweite Reise 1898 hatte neben dem Abkommen zum Bau der Bagdad-Bahn und dem Besuch im Heiligen Land auch die gezielte Förderung der deutschen Archäologie im Osmanischen Reich mit sich gebracht. … Am 23. Dezember 1903 kam das hochherrschaftliche Geschenk, zerlegt in 459 Teile, am Kaiser Friedrich-Museum (dem heutigen Bode-Museum) an, das sich noch im Bau befand.

Eine der Bedeutungsebenen des "massiven" diplomatischen Geschenks ist die Verbindung mit der Herkunftsregion. Das heutige Jordanien gehörte bis 1918 zur osmanischen Provinz Syrien. Als Rechtsnachfolger hat das Haschemitische Königreich Jordanien die Rechtmäßigkeit des Verbleibs der Fassade in Berlin bestätigt. Sowohl König Hussein (1935-1999) als auch 2010 Prinz Hamzah ibn al-Hussein, der Bruder des jetzigen jordanischen Königs, und zuletzt 2011 die zuständige Ministerin Haifa Abu Ghazaleh haben sich bei ihren Besuchen positiv darüber geäußert, dass das jordanische Kulturerbe in Deutschland prominent gezeigt wird. Der deutsch-jordanische Restaurierungsworkshop im Juni 2011 hat sich ebenfalls zur reziproken Verantwortung und Fürsorge der Anlage bei Amman und der Fassade in Berlin bekannt. Das Bewusstsein für ein gemeinsames Kulturerbe birgt eine besondere Verantwortung für ein Schlüsselwerk der Spätantike und früh islamischen Kunst.

© Auszug aus: Stefan Weber und Eva-Maria Troelenberg. Mschatta im Museum: zur Geschichte eines bedeutenden Monuments frühislamischer Kunst. Jahrbuch Preussischer Kulturbesitz, 46. 2010 (2011), S. 104-132


Buchempfehlung, die umfangreichste Publikation:

Qasr al-Mschatta
Ein frühislamischer Palast in Jordanien und Berlin. Band 1 und 2
Berliner Beiträge zur Bauforschung und Denkmalpflege 16

Herausgegeben von Johannes Cramer, Barbara Perlich und Günther Schauerte mit Ghazi Bisheh, Claus-Peter Haase, Monther Jamhawi und Fawwaz al-Kreisheh (gest.)

Michael Imhof Verlag, Petersberg (Deutschland), 2016
ISBN 978-3-7319-0296-6
In Deutsch, 688 Seiten, 591 Farb- und 174 S/W-Abbildungen
Verlag, Buchbestellung

mehr dazu

Der im 8. Jahrhundert unter dem Umayyaden Walid II. begonnene Wüstenpalast Qasr al-Mschatta zählt zu den Höhepunkten und Schlüsselwerken der früh-islamischen Architektur. Seitdem die prachtvoll dekorierte Hauptfassade im Jahr 1903 als Geschenk in das heutige Museum für Islamische Kunst im Berliner Pergamonmuseum kam, hat der Bau immer wieder kontroverse Diskussionen zu Datierung und Deutung aufgeworfen. Das vorliegende zweibändige Werk greift diese Debatte noch einmal auf und zeigt mit allen der modernen Bauforschung zur Verfügung stehenden Methoden, dass die Anlage entgegen der herrschenden Meinung nicht als Ruine liegen blieb, sondern in abbasidischer Zeit in Teilen aufwendig ausgebaut und genutzt wurde.

Durch archäologische Grabungen konnte der geplante Grundriss geklärt werden. Die detaillierte Analyse des Baubestands führte zu einer virtuellen Rekonstruktion des niemals ausgeführten ursprünglichen Bauplans von Walid II.

Ausführliche kunsthistorische Untersuchungen beschreiben und deuten erstmals im Zusammenhang die Hauptfassade ebenso wie die bisher nur unvollständig vorgelegte plastische Ausstattung des Palastes. Hinsichtlich der geplanten Neuaufstellung der Fassade im Nordflügel des Pergamonmuseums wird auch die Museumsgeschichte diskutiert. Nicht zuletzt beschreibt die Publikation die umfangreichen Restaurierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, welche die Ruine für Besucher wieder erschließen. Während der erste Band zunächst eine Baubeschreibung vornimmt, die Forschungslage vorstellt und sich mit Bauvorgang, -technik und -ausstattung sowie Bauornamentik und -forschung auseinandersetzt und den Palast hinsichtlich Datierung, typologischer Einordnung und musealem Werdegang untersucht, liefert der zweite Band einen detaillierten Katalog der Skulpturen und Inschriften, der Bauornamentik und der archäologischen Sondagen.