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Quilmes

Ciudad Sagrada de Quilmes

Ciudad Sagrada de Quilmes

Die Ruinen von Quilmes in der Provinz Tucumán sind eine der größten archäologischen Stätten Argentiniens und ein heiliger Ort der indigenen Volksgruppe, nach der er benannt ist. Eine große historische Symbolkraft rührt daher, dass die spanischen Eroberer diese letzte Bastion des Widerstands erst 130 Jahre nach ihrem Eindringen in den Nordwesten des heutigen Argentinien (1535) besiegen konnten. Danach wurden die Quilmes 1665 deportiert, ein Teil von ihnen an den Rio de la Plata, wo später die gleichnamige Stadt entstand, die jetzt zum Großraum Buenos Aires gehört. Nur etwa 400 Personen überlebten den 1400 km langen Todesmarsch. Eine nicht bekannte Zahl der Quilmes konnte den Spaniern entkommen und in ihrer Heimatregion bleiben, wo sie ihre Identität lange verbergen mussten. (mehr dazu unten)

Die Siedlung am Fuße und an den Hängen des 2300 m hohen Alto del Rey wurde wahrscheinlich im 10. Jahrhundert gegründet. Der Boden war fruchtbar, es gab ausreichend Wasser und von der strategisch günstigen Position aus konnte ein zentraler Abschnitt der Handelsrouten durch das Tal des Flusses Santa María kontrolliert werden. Durch Festungsanlagen und Schutzmauern ließ sich das obere Stadtviertel bei Konflikten mit Nachbarn gut verteidigen. Aber auch die Quilmes mussten sich dem Tawantinsuyu (Inka-Reich) unterwerfen, als es im 15. Jahrhundert weit nach Süden expandierte.

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Die Quilmes hatten einen hohen Grad an sozialer und wirtschaftlicher Organisation erreicht. So legten sie mit Mauern (pircas) befestigte Terrassenfelder an, die sie über Gräben und Kanäle bewässerten. Dafür stauten sie Bergbäche und Flüsse mit Dämmen auf, von denen der größte 17 Meter lang war. Außerdem betrieben sie Viehzucht, weideten Tiere, jagten Wild und unterhielten weitreichende Austauschbeziehungen. Neben Keramik für den Alltagsgebrauch fertigten sie größere Begräbnisurnen an, und von ihren Kenntnissen der Metallurgie zeugen Schmuckobjekte aus Bronze.

Zu besichtigen sind der untere, auf 1850 m über NN gelegene Bereich und der obere, der sich den Hang hinaufzieht, flankiert von zwei Festungsanlagen, den Pukarás, von denen aus man einen weiten Blick über die Siedlung und das Tal bis hin zum Fluss Santa María hat. Dieses rekonstruierte Areal macht aber nur 15% des einstigen Quilmes aus. Der größere, nicht ausgegrabene Teil erstreckt sich südwestlich und westlich davon entlang des Río Las Agüitas. In der Blütezeit könnten hier etwa 4000 Menschen und mindestens ebenso viele in kleineren Ansiedlungen in der Umgebung gelebt haben.

An den rekonstruierten Grundmauern ist die verschachtelte Struktur mit eng aneinander grenzenden Bauten an Wegen, Terrassen und Plätzen zu erkennen. Man nimmt an, dass die quadratischen und rechteckigen Räume vor allem Wohnzwecken dienten und die teils runden Anbauten Lagerräume waren. Die Mauern sind so dick, weil sie aus einer äußeren Hülle aufgeschichteter Steine oder Platten bestehen und der Raum dazwischen mit Kieseln und Erde aufgefüllt und verfestigt wurde. Weitere Informationen dazu auf den Bildseiten unseres Fotorundgangs.

Nach langjährigen juristischen Verfahren und Auseinandersetzungen, um das ihnen 1716 durch eine Cédula Real (Königliche Charta) verbriefte eigene Territorium zurückzuerlangen, besetzten die Nachfahren der Gründer die archäologische Stätte 2008 und benannten sie in Ciudad Sagrada de Quilmes (Heilige Stadt der Quilmes) um. Diese Umbenennung soll auch darauf verweisen, dass es sich nicht um Ruinen eines ausgestorbenen Volkes handelt, "sondern um einen Raum der Kontinuität zwischen den Vorfahren und den Lebenden" sowie den "Beweis für eine frühere Existenz, um die gegenwärtigen Rechte auf das Gebiet und die eigene Geschichte politisch zu vertreten." (Tolosa, S. 66)

Seit Februar 2018 gibt es ein Centro de Interpretación, in dem über die Mythen, das Alltagsleben, die Bräuche und die Organisation der Quilmes informiert wird und Objekte ihrer Kultur ausgestellt sind.

Weitere Informationen  

Weitere Informationen:

Nachdem die spanischen Eroberer das Inka-Reich besiegt hatten und ab 1535 in den Nordwesten Argentiniens vorgestoßen waren, verbündeten sich die Quilmes und andere indigenen Gruppen im Tal des Santa María Flusses gegen sie. Den ersten großen Aufstand von 1560 bis 1563 führte der Kazike Juan Calchaquí aus Tolombón an. Nach ihm wurden sowohl die Kriege gegen die Spanier in der Region (Guerras Calchaquíes) als auch ein Fluss und eine Kette von Tälern am Ostrand der Anden in den Provinzen Salta, Tucumán und Catamarca benannt - die Valles Calchaquíes.

Der zweite Calchaquí-Krieg dauerte von 1630 bis 1637. Er endete damit, dass die Spanier den Anführer, den lokalen Herrscher (curaca) Chalamín, hinrichteten und die Bewohner des Señorío (Grundherrschaft) Diaguita als Sklaven an andere Orte deportierten.

Im dritten und letzten Calchaquí-Krieg von 1658 bis 1667 setzte sich zunächst der andalusische Abenteurer Pedro Bohórquez an die Spitze der Aufständischen, indem er behauptete, er sei der Inca Hualpa, ein Nachkomme des letzten Inka-Herrschers. Doch 1659 ergab sich Bohórquez den Spaniern in der Hoffnung auf Begnadigung, wurde von diesen aber inhaftiert und hingerichtet. Die Quilmes kämpften als letzte bis zu ihrer endgültigen Niederlage 1665 weiter.

Die Spanier schickten die Quilmes zur Zwangsarbeit an weit entfernte Orte. 250 Familien mussten nach Córdoba, weitere in mehrere Städte im Nordwesten Argentiniens. Eine große Gruppe wurde zu einem für die meisten tödlichen Marsch ans 1400 km entfernte Ufer des Río de la Plata gezwungen. Aus der nach ihrer Ankunft 1666 gegründeten Reducción de la Santa Cruz de los Kilmes, in der 1680 nur noch 347 Angehörige des Volkes lebten, entwickelte sich später die Stadt Quilmes, die jetzt zum südlichen Großraum der Haupstadt Buenos Aires gehört.

Einer unbekannten Zahl von Quilmes gelang es, den Spaniern zu entkommen und bei anderen ethnischen Gruppen des Tals zu überleben. Außerdem forderte der Spanier Luis de Toledo y Velazco, der die "Encomienda de Quilmes" geerbt hatte, sein Recht auf auszubeutende Arbeitskräfte ein, so dass man einige Quilmes-Familien zu ihm nach Tucumán zurückschickte. (Endere, S. 79) Sie alle gelten als die Vorfahren der heutigen Comunidad India Quilmes, in deren Obhut die archäologische Stätte steht.

Obwohl die Ruinen von Quilmes den indigenen Gemeinschaften der Region natürlich immer bekannt gewesen sind, gilt das Jahr 1888, in dem der Archäologe Samuel Alejandro Lafone Quevedo dort war und darüber schrieb, als Datum ihrer "Entdeckung". Nachdem der holländische Anthropologe Herman Frederik Carel ten Kate 1893 Quilmes kurz besucht hatte, äußerte er sich über den guten Zustand der Ruinen sowie über Petroglyphen in einer nahe gelegenen Schlucht.

Juan Bautista Ambrosetti (1865 - 1917), der zusammen mit seinem Schüler Salvador Debenedetti (1884 - 1930) als Begründer der Archäologie in Argentinien gilt, begann 1897 mit der systematischen Erforschung der Ruinen von Quilmes und veröffentlichte deren ausführliche Beschreibung im selben Jahr in einem Buch.

Carlos Rodolfo Schreiter (1877-1942) schrieb 1919 über Funde von Kinderbestattungen in Begräbnisurnen auf einem Friedhof in Quilmes. 1928 bildete er in einer Veröffentlichung eine Reihe von Petroglyphen mit stilisierten menschlichen und tierischen Figuren ab, die er in der Quilmes-Schlucht in der Nähe der Anbauterrassen entdeckte. (Sosa, S. 9)

Adán Quiroga beschrieb in seinem Buch "Folklore calchaquí" 1929 einige Stücke aus "sehr feinem Gewebe", die er in der Umgebung von Quilmes fand. Obschon die Ruinen auch danach immer wieder besucht wurden, gab es bis 1978 keine weiteren veröffentlichten Studien. (Sosa, S. 9)

Im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft 1978 in Argentinien erwartete man in dem damals von einer Militärdiktatur (1976 - 1983) beherrschten Land wieder mehr ausländische Touristen, die über den Staatsterror hinwegsehen würden. Die Autoritäten von Tucumán wollten die Gelegenheit nutzen, um das Image der für schreckliche Gewalt bekannten Provinz zu verbessern und etwas gegen die dortige Wirtschaftskrise zu tun. Im Rahmen des Programms NOA Turístico der nationalen Regierung und der nordwestlichen Provinzen wurden auch in Tucumán mehrere Stätten des kulturellen Erbes für die touristische Nutzung aufbereitet.

Besonders viel versprach man sich davon, Quilmes zu einer Art "Machu Picchu von Tucumán" zu machen (Sosa, S. 11). Unter der Leitung von Norberto Pelissero (Direktor des Instituto Interdisciplinario Tilcara) und Horacio Difrieri (Direktor des Instituto de Geografía “R. Ardissone”) wurden die Ruinen rekonstruiert, ohne grundlegende Prinzipien der Erforschung, Restaurierung und Dokumentation einer archäologischen Stätte zu befolgen. So hätte ein Grundsatz darin bestehen müssen, so viel wie möglich von der originalen Substanz der Anlage und der Gebäude zu erhalten und einzubeziehen und diese nicht einfach neu aufzubauen.

Lokale Arbeitskräfte bereinigten das Gelände von der Vegetation, befestigten Terrassen, Grundmauern und einen Damm. Erst danach sollten Ausgrabungen stattfinden, um Informationen über die Geschichte des Ortes zu erhalten und Exponate für das Museum zu sammeln, was allerdings nicht geschehen ist. Es sind ganz im Gegenteil sehr viele Fundstücke geraubt worden. Am 9. Juli 1978 wurde die Stätte eingeweiht, die Arbeiten gingen aber wohl bis 1980 weiter.

In dem damals von der Regierung der Provinz herausgegebenen Buch von Pelissero und Difrieri (1981) gibt es einen historischen Abschnitt, in welchem die Calchaquí-Kriege und der Widerstand der Quilmes nur beiläufig Erwähnung finden. Es wird behauptet, schon vor der spanischen Eroberung hätten die indigenen Gruppen die "maximale Tragfähigkeit ihres Geosystems" überschritten und die Quilmes seien als Gruppe bereits verschwunden gewesen, bevor sie ausstarben - was bekanntlich nicht der Fall ist. (Endere, S. 81)

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Lage, Anfahrt:

Ciudad Sagrada de Quilmes
Von Cafayate auf der Ruta 40 etwa 50 km Richtung Süden, dann an einer ausgeschilderten Abzweigung 4,5 km nach Westen.
Etwa 185 km von der Provinzhauptstadt Tucumán entfernt.
Lage auf der Karte

Ciudad Sagrada de Quilmes
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